Endstation Oxford
einem noch unfertigen Neubau vorbei, der offenbar aufgegeben worden war. Sie blieb stehen. Das Namensschild hatte sie neugierig gemacht. Austin Brande, Bauunternehmer . Hume? Brande? Diese Leute schienen sie ja geradezu zu verfolgen! Oder war das nur ein Zufall? Aber warum sollte Austin Brande nicht Adelas Enkel sein? Zu dumm, dass sie Adela nicht nach seinem Nachnamen gefragt hatte.
»Und das war alles«, beendete Kate ihren Bericht. Sie hatte Jon von ihrem nachmittäglichen Ausflug erzählt. »Ich habe nichts Wissenswertes erfahren und glaube auch nicht, dass Adela Carston etwas mit Estelles Verschwinden zu tun hat. Sie sagt, dass Estelle immer beschäftigt ist und dass sie sie seit der Hochzeit nicht mehr gesehen hat. Allerdings brachte sie auch Ereignisse der jüngeren Vergangenheit durcheinander. Man darf ihre Worte also nicht unbedingt auf die Goldwaage legen.«
»Du hast wirklich alles getan, was möglich ist, Kate. Du solltest jetzt aufhören.«
»Aber warum verschwindet Estelle ohne ein Wort?«
»Nicht einmal eine kleine Notiz?«
»Nichts.«
»Wenn sie nichts hinterlassen hat, geht sie wahrscheinlich davon aus, dass Peter weiß, wo sie ist und warum sie sich dort aufhält.«
»Ich bin ganz sicher, dass er es nicht weiß. Sie verschwand an einem Samstag. Sie hätte ihren Koffer packen und einen Brief mit einer Erklärung schreiben können, warum sie geht, wohin sie geht und wann sie wiederkommt. Das hätte zu Estelle gepasst. Da sie es nicht getan hat, gehe ich davon aus, dass irgendein Fremder sie überredete oder zwang, mit ihm zu gehen. Er rief Peter an und sagte ihm, er solle sich keinesfalls einmischen – okay, das ist jetzt reine Spekulation –, und ein paar Tage später rief er erneut an, um sich zu erkundigen, ob Estelle wieder zu Hause angekommen sei. Hört sich das für dich nach Ehekrach an?«
»Warum gehst du von einem fremden Mann aus? Es könnte doch auch jemand gewesen sein, den Estelle kennt und dem sie vertraut. Stell dir vor, Estelle wäre freiwillig gegangen. Zum Beispiel mit einem alten Freund aus früheren Tagen oder sogar einem ehemaligen Liebhaber, der möglicherweise ihre Hilfe braucht. Vielleicht hat Peter nur voreilige Schlüsse gezogen, als er sich in seiner Wohnung vergraben, betrunken und die schlimmsten Sachen ausgemalt hat. Er glaubt, Estelle habe ihn betrogen, und sie will nicht nach Hause zurückkehren, ehe er sich nicht entschuldigt hat. Möglicherweise hatte auch einer ihrer Autoren ein Problem, oder es gab irgendeinen Notfall.«
»Welche Art von Notfall? Eine Schreibblockade? Ein Streit über eine Passage in einem Vertrag?«
»Ich habe gehört, dass Autoren manchmal sehr launisch sein können.«
»Aha!«
»Es muss ja kein Autor gewesen sein. Es könnte ja auch ein – ich weiß auch nicht, irgendwer anderes gewesen sein.«
»Adela kam übrigens wieder vom Hölzchen aufs Stöckchen und sprach über ihren Enkel – erinnerst du dich, wie sie bei der Hochzeitsfeier war? Jedenfalls habe ich den Enkel kurz gesehen, als er gegen Ende der Veranstaltung kam und seine Großmutter und deren Freundin abholte. Eigentlich ein ganz normaler Typ, der sehr nett mit ihr umging. Allerdings scheint Adela zu glauben, dass er hinter irgendetwas aus ihrem Besitz her ist. Es hat wohl mit den Büchern ihres verstorbenen Mannes zu tun.«
»Handelt es sich dabei um die ganz normalen Wahnvorstellungen älterer Herrschaften?«
»Schon möglich. Aber stell dir doch einmal vor, Adela hätte ein Buch – ein wertvolles Buch, falls sie so etwas überhaupt besitzt – an Peter verkauft. Austin jedoch ist der Meinung, dass das Buch ihm gehöre und dass sie es nicht hätte verkaufen dürfen. Er will das Buch zurückhaben. Er ruft Peter an, der aber nicht mit sich handeln lässt. Also wendet er sich an Estelle.«
»Na ja, könnte sein. Kennst du seinen Nachnamen?«
»Nein, aber auf dem Heimweg kam ich an einer Baustelle vorbei. Auf dem Schild Stand Austin Brande, Bauunternehmer. Adela hat mir erzählt, dass er beruflich etwas in der Richtung macht.«
»Warum sollte er sich für alte Bücher interessieren, wenn er mit Immobilien zu tun hat?«
»Auf der Baustelle wurde nicht gearbeitet. Sie sah verlassen aus. Vielleicht will er sich verändern.«
»Du wirst mir doch jetzt nicht erzählen, dass du Austin Brande anrufen und ihn fragen willst, ob er Estelle entführt hat?«
»Ich muss zugeben, dass sich eine solche Frage nur sehr schwer in einem zwanglosen Telefonat unterbringen
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