Endstation Oxford
der Tür.
»Ich geh schon«, sagte Estelle. »Obwohl ich hoffe, dass heute niemand mehr etwas von uns will.« Sie öffnete die Tür. »Oh, hallo Hilda«, hörte ich sie sagen.
»Ich sah Sie gerade mit dem Taxi vorfahren. War der Urlaub schön?« Es war die fröhliche Stimme unserer Nachbarin von nebenan.
»Ist hier irgendetwas vorgefallen, während wir fort waren?«, fragte Estelle, die wie üblich gleich zum Kern der Sache kam.
»Allerdings. Und es war so merkwürdig, dass ich es Ihnen lieber gleich erzählen wollte.«
Ich gesellte mich zu den beiden und reichte Estelle ihren Whisky. »Peter, das ist unsere Nachbarin Hilda Benwick«, stellte Estelle vor. »Sie war so freundlich, während unserer Abwesenheit ein wenig auf das Haus zu achten.«
»Ich wollte Ihrer Frau eben erzählen, dass etwas Seltsames passiert ist, als Sie fort waren.« Ihre Stimme passt zu ihrem Äußeren. Sie ist eine hochgewachsene Frau mit einem sauberen, besorgten Gesicht. Nachlässig rot gefärbtes, drahtiges Haar steht von ihrer hohen Stirn ab, und ihre Stimme ist scharf und laut. Ich bot ihr ebenfalls einen Drink an, obwohl ich sie nicht länger als unbedingt notwendig im Haus haben wollte.
»Sehr freundlich. Vielen Dank. Ich hätte gern einen Gin Tonic, wenn das möglich ist.«
Nachdem ich Hilda ihren Drink gemixt hatte, setzte ich mich zu Estelle auf das Sofa. Ich muss zugeben, dass wir einen großen Schluck Whisky tranken, ehe wir Hilda erwartungsvoll ansahen.
»Es passierte am Tag nach Ihrer Abreise«, begann sie. »Zufällig blickte ich aus dem Fenster und sah diesen Mann, der zu Ihrer Haustür ging und klingelte. Natürlich machte niemand auf, aber anstatt fortzugehen, blieb er stehen und starrte die Tür an, als könne er sie mit seinen Blicken öffnen. Dann ging er langsam um das Haus herum, als suche er nach einer Möglichkeit, hineinzugelangen. Als er um die Ecke bog, konnte ich ihn nicht mehr sehen. Doch er kam zurück. Ich gehe also davon aus, dass alles verschlossen war.«
Estelle und ich blickten uns an. »Ja, ich habe die Hintertür vor der Abreise kontrolliert«, bestätigte ich.
»Weil ich wusste, dass Sie verreist waren, habe ich ihn angesprochen und gefragt, was er will.«
»Das war wirklich sehr aufmerksam von Ihnen, Hilda«, lobte ich.
»Wie sah der Mann aus?«, wollte Estelle wissen.
»Ganz normal.«
»Groß? Klein?«
»Mittel, würde ich sagen.«
»Jung? Alt?«
»Jetzt im Winter ist so etwas schwer festzustellen, weil jeder sich in Schals und Mützen einmummelt. Alt war er sicher nicht, aber besonders jung auch nicht. Irgendwo dazwischen.«
»Eben ganz normal«, sagte ich.
»Genau.«
Estelle begann, ungeduldig zu werden. »Mehr wissen Sie nicht?«, hakte sie nach.
»Eigentlich nicht. Er sagte, er wolle Mr Hume sprechen, aber ich erklärte ihm, dass Sie für eine Woche verreist wären.«
Estelle stöhnte auf. Da hätten wir auch gleich allen Dieben der Umgebung verkünden können, dass das Haus eine Woche lang leer steht, dachten wir.
»Er sagte, er würde nach Weihnachten wiederkommen, und verschwand.«
»Hatte er ein Auto dabei?«, fragte Estelle.
»Ich habe keines gesehen.«
»Dann war er vielleicht aus der Gegend.«
»Möglicherweise hat der Vorfall gar nichts zu bedeuten«, warf ich ein. »Wahrscheinlich hat dieser Mann überhaupt nichts mit dem zu tun, was hier passiert ist. Schließlich haben Sie ihn nicht bei einem Einbruch ertappt.«
Hilda hatte den Gin Tonic so schnell hinuntergestürzt, dass ich ihr noch einen anbot. »Ausgesprochen nett von Ihnen.« Sie strahlte. »Das wirklich Merkwürdige allerdings passierte erst viel später an diesem Abend«, fuhr sie fort, als wolle sie mich für meine Aufmerksamkeit belohnen.
»Wie schon gesagt, ich wusste ja, dass niemand im Haus sein konnte, weil Sie in der Karibik waren, aber irgendwann gegen Mitternacht hörte ich komische Geräusche.«
»Was meinen Sie mit komisch?«, wollte ich wissen.
»Jemand schien zu schimpfen oder zu heulen. Ich hatte gerade von Wölfen geträumt und saß kerzengerade im Bett. Mein Herz klopfte zum Zerspringen. Ich hatte ganz schön Angst. Das Heulen schien eine Ewigkeit zu dauern, aber in Wirklichkeit mögen es höchstens ein, zwei Minuten gewesen sein. Ich warf den Bademantel über, schlüpfte in meine Pantoffeln und ging nach unten. Zwar heulte zu diesem Zeitpunkt niemand mehr, aber ich wollte doch lieber nachsehen, was passiert war. Immerhin hätte ja auch ein Verletzter da draußen liegen können. Und
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