Endstation Venedig
und sich langsam übers Bein bis zum Knie ausbreitete.
Das Kind hatte hohes Fieber bekommen. Alle Therapien versagten, bis ein Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes zu dem Platz ging und eine Probe von der Flüssigkeit nahm. Wie sich herausstellte, war sie stark mit PCB verseucht, die aus dort abgelagerten Fässern voller Giftmüll ausgelaufen waren.
Obwohl der Ausschlag schließlich abheilte, sorgten die Ärzte sich wegen der neurologischen und genetischen Schäden, die im Tierex-periment bei Substanzen mit PCB oft beobachtet worden waren, um die Zukunft des Kindes.
Brunetti legte die Zeitschrift beiseite und las den medizinischen Bericht ein zweites Mal durch. Die Symptome waren dieselben, obwohl nicht erwähnt wurde, wie das Kind in Kontakt mit der Substanz gekommen war, die den Ausschlag verursacht hatte.
Nach
einem Picknick mit seinen Eltern
war der einzige Hinweis. Außer-
dem wurde nichts über die Behandlung gesagt, der man das Kind in Deutschland unterzogen hatte.
Er nahm den Umschlag zur Hand und sah ihn sich genauer an. Die Briefmarken waren durch einen runden Stempel entwertet worden, in dem
Army Postal System
und das Datum vom Freitag stand.
Also hatte sie dies irgendwann in der vergangenen Woche an ihn abgeschickt und dann versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Nicht basta
oder
pasta
hatte sie gesagt, sondern
posta , um ihm
die Sendung anzukündigen. Wodurch war sie gewarnt worden? Was war geschehen, daß sie ihm diese Unterlagen geschickt hatte?
Er erinnerte sich an etwas, was Wolf über Fosters Arbeit gesagt hatte: daß es zu seinen Aufgaben gehört habe, darauf zu achten, daß verbrauchtes Röntgenmaterial aus dem Krankenhaus weggeschafft wurde. Er hatte auch noch andere Gegenstände und Substanzen erwähnt, aber nicht gesagt, was es war oder wohin sie gebracht wurden. Bestimmt würden die Amerikaner das wissen.
Das mußte das Verbindungsglied zwischen den beiden Todesfällen sein, sonst hätte sie ihm nicht den Umschlag geschickt und ihn dann anzurufen versucht. Das Kind war ihr Patient gewesen, doch dann war es weggebracht und nach Deutschland geschickt worden, und da endete der medizinische Bericht. Er hatte den Familiennamen des Jungen, und Ambrogiani hatte sicher Zugang zu einer Liste aller Amerikaner, die auf dem Stützpunkt stationiert waren, es war also relativ einfach, in Erfahrung zu bringen, ob die Familie des Jungen noch da war. Und wenn nicht?
Er nahm den Telefonhörer ab und bat die Vermittlung, ihn mit Maggiore Ambrogiani auf dem amerikanischen Stützpunkt in Vicenza zu verbinden. Während er wartete, überlegte er, wie sich all das in einen Zusammenhang bringen ließ, und hoffte, daß es ihn schließ-
lich zu dem führen würde, der Doctor Peters die Nadel in den Arm gestochen hatte.
Ambrogiani meldete sich. Er war nicht überrascht, als Brunetti seinen Namen nannte, er blieb nur dran und ließ die Stille andauern.
Gibt es irgendwelche Fortschritte bei Ihnen?
fragte Brunetti
schließlich.
Anscheinend hat man hier eine neue Drogentestreihe angeord-net. Jeder muß sich ihr unterziehen, sogar der Kommandeur des Krankenhauses. Es geht das Gerücht, daß er zur Toilette gehen muß-
te, um eine Urinprobe abzugeben, während einer der Ärzte vor der Tür wartete. Angeblich haben sie diese Woche schon über hundert getestet.
Mit welchem Ergebnis?
Es liegen noch keine vor. Alle Proben müssen nach Deutschland geschickt werden, in die dortigen Labors. Die Ergebnisse kommen dann vielleicht in einem Monat.
Und sind sie verläßlich? fragte Brunetti, der sich nicht vorstellen konnte, daß irgendeine Organisation sich auf Proben verließ, die durch so viele Hände gegangen waren, und das über einen so langen Zeitraum.
Die scheinen das zu glauben. Wenn ein Test positiv ist, werfen sie die Betreffenden einfach raus.
Wer wird getestet?
Es gibt kein Schema. Die einzigen, die sie in Ruhe lassen, sind die Rückkehrer aus Nahost.
Weil sie Helden sind?
fragte Brunetti.
Nein, weil man fürchtet, es könnten zu viele Tests positiv ausfallen. In diesem Teil der Welt ist so leicht an Drogen zu kommen wie in Vietnam, und offensichtlich haben sie Angst, daß ihr Bild in der Öffentlichkeit leidet, wenn alle ihre Helden mit solchen Souvenirs im Blut zurückkommen.
Wird immer noch verbreitet, daß es eine Überdosis war?
Allerdings. Einer meiner Leute hat mir erzählt, daß ihre Familie nicht einmal kommen wollte, um die Leiche nach Amerika zurück-zubegleiten.
Und was haben
Weitere Kostenlose Bücher