Endstation Wirklichkeit
Sie mich David. ,Mr Edwards‘ klingt so furchtbar alt!“
Der Mann lächelte höflich. „In Ordnung, David. Wollen wir anfangen?“
David nickte. „Was soll ich tun?“
Der Produzent klopfte ihm väterlich auf die Schulter, nachdem er näher getreten war.
„Entspannen Sie sich, David. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein.“
„Sie haben das gemerkt? Dann bin ich wohl doch kein geeigneter Schauspieler.“
Die Anwesenden lachten.
„Glauben Sie mir, David, mir sind Leute, die hier mit einer Portion Nervosität hereinkommen, tausend Mal lieber, als solche, die so tun, als hätten sie schon zehn Oscars bekommen. In solch einer Situation weiche Knie zu haben, ist völlig normal. Ich will die Leute so kennenlernen, wie sie normalerweise sind. Eine Rolle sollen sie erst später spielen.“
David bekam seine Unsicherheit etwas unter Kontrolle. Die aufmunternden Worte taten ihm gut. Der Produzent strahlte eine Natürlichkeit aus, die auf ihn ungemein beruhigend wirkte.
„Wir wollen zunächst ein paar Probeaufnahmen von Ihnen machen. Stellen Sie sich bitte hierher.“ Joseph Miller dirigierte David an der Kamera vorbei und wies ihm einen Platz vor einer weißen Wand zu. „Schauen Sie einfach zu den älteren Herrschaften dort hinten auf der Couch. Erzählen Sie denen etwas über sich. Wo Sie herkommen, wer Ihre Eltern sind, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen. Wovon Sie träumen, wovor Sie Angst haben und so weiter. Einfach alles, was Ihnen einfällt.“
Mittlerweile war der Kakao gekommen, und nachdem David fast den halben Becher Zucker in die Tasse gegossen und es endlich geschafft hatte, umzurühren, nahm er einen Schluck des heißen Getränkes.
„Und dann hast du einfach drauflosgeplappert? Was hast du ihnen erzählt? Mir wäre da garantiert nichts eingefallen.“
David zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich habe über fünfzehn Minuten von mir, meinen Eltern und meiner Arbeit erzählt. Anfangs dachte ich, ich würde kein Wort herausbringen, aber dann ging es auf einmal wie von selbst. Ich habe einfach nur geredet und geredet. Die Worte sind aus mir herausgeflossen. Ich hätte nie gedacht, dass es so viel über mich zu erzählen gibt – jedenfalls nichts, was man fremden Menschen erzählen würde!“, fügte er mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.
„Und wie hast du erfahren, dass sie dich genommen haben?“
David winkte abermals ab, als wäre dies eine dramatische Geschichte, die sowieso keiner glauben würde. „Kennst du den Film ,A Chorus Line‘? Die Szene, als der Regisseur seine Auswahl trifft?“
Mike nickte zustimmend, erkannte aber nicht, worauf David hinauswollte.
„Er hat zuerst einen Teil der Bewerber aufgerufen, und die haben sich gefreut, als wären sie auserwählt. Aber dann hat er ihnen gesagt, dass sie gehen könnten.“
Diesmal verstand Mike und nickte wissend.
„Genau“, bestätigte David. „So ähnlich war das heute auch. Wir haben alle wieder ewig lang gewartet, bis dann eine Gruppe von uns erneut ins Büro gerufen wurde. Ich war nicht dabei und habe sofort gedacht: Das war’s also. Du bist durchgefallen. Dein dämliches Gerede hat dir gar nichts genutzt. Doch dann kam der Produzent aus seinem Büro zu uns anderen heraus und hat uns mitgeteilt, dass die gerade Aufgerufenen drinnen ihre Papiere zurückerhielten. Wir jedoch bekämen in den nächsten Wochen einen Vertrag zugeschickt.“
Mike jubelte förmlich. „Mein Freund wird ein Filmstar!“ Er sprach so laut, dass die Menschen in der näheren Umgebung es gehört haben mussten. Neugierige Blicke flogen zu ihnen herüber.
„Mensch, David, ich freu’ mich ja so für dich. Und wann geht es los? Um was geht es bei dem Film?“
David schilderte, was er bereits wusste. „In drei Monaten. Sie drehen einen Film über einen kriminellen Jugendlichen, der vor Gericht kommt und sich in seine junge Verteidigerin verliebt. Der Film soll zu Weihnachten in die Kinos kommen. Ich soll die Rolle eines der Bandenmitglieder spielen, die vor Gericht eine Aussage machen müssen.“
„Also sogar eine Rolle mit Text! Alle Achtung! Ich finde, das müssen wir gebührend feiern!“, stellte Mike fest und winkte die Kellnerin an den Tisch. „Zwei Gläser Sekt, bitte. Wir haben etwas zu feiern!“
***
„Was ist los mit dir? Du machst heute Abend nicht den Eindruck, als würdest du dich darüber freuen, endlich deinen Traumjob gefunden zu haben. Oder haben sie dir nachträglich doch noch
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