Endstation Wirklichkeit
gefliesten Wand ab.
Was hatte er getan? Wie hatte er nur zulassen können, was am vergangenen Abend passiert war? Er fühlte sich elend und schmutzig. Nicht, dass er den Abend mit Alyosha nicht genossen hätte. Ganz im Gegenteil. Es war ein berauschendes Erlebnis gewesen und hatte seine Lust befriedigt. Aber gerade auch deswegen machte er sich nun, am Morgen danach, schwere Vorwürfe. Wie konnte er sich dem Verlangen seines Körpers einfach so hingeben, während Mike zu Hause auf ihn wartete?
Er hatte Mike betrogen, ihn hintergangen! Auch wenn dieser es nicht wusste, er hatte ihm damit sicherlich sehr wehgetan.
David schlug die Hände vors Gesicht. Ihm war zum Heulen zumute. Er hätte es nicht tun sollen. Nicht tun dürfen! Warum hatte er nicht die Zeit der kurzen Trennung überstanden, ohne sich belangloser, körperlicher Lust hinzugeben? In wenigen Tagen wäre er doch wieder mit seiner großen Liebe vereint gewesen und hätte all seine Begierden ausleben können.
Jetzt quälte ihn die Schuld zutiefst. Je länger er über seinen Fehler nachdachte, desto mehr mischte sich zu dem Gefühl Enttäuschung über sich selbst und Reue. Ja, er bereute, was er getan hatte. Er hätte standhaft bleiben und sich der Versuchung entziehen sollen. Aber es war zu spät. Er hatte sich der Lust hingegeben und eine unverzeihliche Tat begangen.
Unverzeihlich? David überlegte kurz. War seine Schuld wirklich unverzeihbar? Könnte er Mike nicht alles erzählen und sich aufrichtig entschuldigen?
David war sich sicher, dass ihm dieser Fehler nie wieder passieren würde. Die Selbstvorwürfe, die er empfand und die ihn innerlich zerrissen, hatten ihm eine Lektion fürs Leben erteilt. Niemals wieder würde er so etwas tun. Er schwor es. Sein Selbstwertgefühl litt erheblich, und er fühlte sich schwach und minderwertig.
Konnte er Mike dieses Geständnis machen? Würde er es verstehen? Würde Mike ihm verzeihen und es würde wieder alles wie vorher werden? Oder wäre es besser, den Vorfall zu verschweigen? Ihn im Laufe der Zeit aus seinem Gedächtnis zu streichen? Was er getan hatte, war ja nicht der Untergang der Welt. Er hatte schließlich nur seinem Körper Befriedigung verschafft. Eigentlich war es ja nicht viel anders, als wenn er es sich selbst gemacht hätte.
Hör auf! Red’ nicht so ein dummes Zeug!, schrie eine innere Stimme in Davids Kopf. Natürlich ist es etwas anderes! Versuche nicht, dir die Sache schönzureden.
Er liebte Mike, und Mike liebte ihn. Daran gab es keinen Zweifel. Diese Liebe verlangte gegenseitige Ehrlichkeit. Sie war so allumfassend, so groß und intensiv, dass sie keinen Platz für Geheimnisse und Lügen zuließ.
Andererseits: Warum sollte er Mike von seiner Dummheit erzählen? Warum diese Liebe belasten? Was geschehen war, war geschehen. Er konnte es nicht mehr rückgängig machen, den Abend nicht auslöschen, auch wenn er es am liebsten getan hätte. Er war sich sicher, dass so etwas nie wieder passieren würde. Warum sollte er Mike also mit seinem Geständnis verletzen, ihm wehtun und vielleicht seinen Glauben an ihre Liebe und Beziehung gefährden?
Auf der anderen Seite: Konnte er es verschweigen? Es vergessen und einfach so tun, als wäre es nie passiert? Konnte er seine Selbstvorwürfe ignorieren?
Er hatte die größte Dummheit seines Lebens begangen. Er würde sie nie vergessen können. Nein, er durfte nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen. Es würde immer einen Schatten auf ihre Liebe werfen, als unausgesprochene Schandtat wie eine unsichtbare Wand zwischen ihnen stehen.
David stellte das Wasser ab, griff nach einem Handtuch und trocknete sich ab. Es wurde langsam Zeit. Er musste sich fertig machen. Schon bald würde der Wagen vor dem Hotel warten, um ihn zum Set zu bringen.
Hastig zog er sich an. Seine Gedanken kreisten nach wie vor um sein Vergehen. Was sollte er tun? Es war weniger die Frage des Ob als vielmehr die des Wie, die ihn beschäftigte. Ja, er musste mit Mike reden. Er war sich nur noch nicht sicher, wie er es anstellen sollte. Wie immer er Mike seine Dummheit auch gestehen würde, es würde nichts an dem Ausmaß der Schuld ändern, und Mike würde es nicht gefallen. Wie er das Thema auch verpackte, es würde eine unschöne Angelegenheit werden.
Als der Anruf auf dem Handy David signalisierte, dass der Wagen da war, traf er eine Entscheidung: Er würde mit Mike direkt nach seiner Rückkehr nach L.A. reden. Er würde ihm von der Versuchung und seinem Nachgeben erzählen
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