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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Akten.«
    Gerhard überreichte ihr Karte und Tafel. »Weiß Ihr Patient, was los ist?«
    »In großen Zügen schon.«
    Gerhard schüttelte den Kopf. »Dann muß er den Verstand verloren haben.«
    »Hat er«, sagte sie. »Das ist’s ja gerade.«
    Im Stationszimmer des siebenten Stocks bat sie um Bensons Krankenkarte. Eine neue Schwester hatte Dienst und sagte: »Es tut mir leid, aber Verwandte dürfen medizinische Aufzeichnungen nicht einsehen.«
    »Ich bin Frau Doktor Ross.«
    Die Schwester wurde rot. »Tut mir leid, Frau Doktor, ich hab’ das Namensschild nicht gesehen. Ihr Patient liegt in sieben-null-vier.«
    »Welcher Patient?«
    »Der kleine Garry Peters.«
    Janet Ross sah sie verständnislos an.
    »Sind Sie nicht die Kinderärztin?« fragte die Schwester schließlich.
    »Nein. Ich bin Psychiaterin in der Neuropsychiatrischen Forschungsabteilung.« Die Schärfe in ihrer Stimme ärgerte sie selbst. Aber jahrelang hatte sie immer wieder zu hören bekommen: »Sie werden doch nie eine richtige Ärztin werden, sondern allenfalls eine bessere Krankenschwester« oder »Eine Frau eignet sich am ehesten zur Kinderärztin, weil es für sie das Natürlichste ist«.
    »Ach so«, sagte die Schwester. »Dann suchen Sie Mister Benson in sieben-eins-null. Er ist schon vorbereitet.«
    »Danke«, sagte Janet. Sie nahm die Karte und ging den Flur entlang zu Bensons Zimmer. Als sie klopfte, hörte sie Schüsse. Sie öffnete die Tür und sah, daß die Lichter bis auf eine kleine Nachttischlampe gelöscht waren. Das Zimmer wurde von einem Fernsehschirm bläulich erleuchtet. In dem Apparat sagte ein Mann gerade: »… tot, bevor er auf den Boden fiel. Zwei Kugeln genau ins Herz.«
    »Hallo«, rief sie und öffnete die Tür ganz. Benson sah herüber. Er lächelte und schaltete den Fernseher über einen Knopf neben seinem Bett ab. Um seinen Kopf war ein Handtuch gewickelt.
    »Wie geht’s Ihnen?« fragte sie und setzte sich auf einen Stuhl neben das Bett.
    »Ich komme mir nackt vor«, sagte er und zeigte auf das Handtuch. »Seltsam, wieviel Haare man hat, merkt man erst, wenn sie einem abgeschnitten werden. Für eine Frau muß das noch viel schlimmer sein.« Er sah sie wieder an und wurde verlegen.
    »Das macht niemandem Spaß«, sagte sie.
    »Wahrscheinlich nicht.« Er legte sich zurück. »Als sie damit fertig waren, hab’ ich einen Blick in den Papierkorb geworfen und war erstaunt. Soviel Haar. Ich fror am Kopf, das war das komischste. Mein Kopf war kalt. Dann haben sie mir ein Handtuch herumgewickelt. Ich wollte meinen kahlen Kopf mal sehen, aber sie meinten, das wäre nicht gut. Also hab’ ich gewartet, bis sie fort waren, dann bin ich ins Bad gegangen und« »Was dann?«
    »Ich hab’ das Handtuch nicht abgenommen.« Er lachte. »Ich hab’s nicht geschafft. Was hat das zu bedeuten?«
    »Ich weiß es nicht. Was glauben Sie denn?«
    Er lachte wieder. »Warum bekommt man bloß von Psychiatern nie eine direkte Antwort?« Er zündete sich eine Zigarette an und sagte trotzig: »Man hat mir zwar gesagt, ich soll nicht rauchen, aber ich tu’s trotzdem.«
    »Es wird wohl nichts ausmachen«, sagte sie. Dabei beobachtete sie ihn sehr genau. Er schien guter Stimmung zu sein und die wollte sie ihm nicht verderben. Aber andererseits war es natürlich auch nicht richtig, am Vorabend einer Hirnoperation mit dem Patienten vertraut zu plaudern.
    »Ellis war vor ein paar Minuten hier«, sagte er und zog an der Zigarette. »Er hat ein paar Markierungen gemacht. Sehen Sie das?« Er hob über dem rechten Ohr das Handtuch ein wenig und legte die Kopfhaut frei, die sich blaß über den Schädel spannte. Hinter dem Ohr waren zwei kleine, blaue X-Zeichen aufgemalt. »Wie sehe ich aus?« fragte er grinsend.
    »Prima«, antwortete sie. »Und wie fühlen Sie sich?«
    »Alles in Ordnung.«
    »Keine Sorgen?«
    »Nein. Worüber sollte ich mir Sorgen machen? Ich kann doch nichts daran ändern. Für die nächsten Stunden liegt alles in Ihren Händen und bei Doktor Ellis.«
    »Ich glaube, die meisten Menschen machen sich vor einer Operation ein wenig Sorgen.«
    »Da spricht schon wieder die vernünftige Psychiaterin.«
    Er lächelte, dann verdüsterte sich seine Miene. Er biß sich auf die Lippe. »Natürlich habe ich Angst.«
    »Wovor?«
    »Vor allem …« Er zog an der Zigarette. »Vor allem. Wie ich schlafen werde, wie’s mir morgen gehen wird. Wie das sein wird, wenn alles vorüber ist. Und wenn nun jemand einen Fehler macht? Wenn ich danach nur noch

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