Endstation
dahinvegetiere? Wenn es weh tut? Oder wenn ich …«
»Wenn Sie sterben?«
»Klar, davor hab’ ich auch Angst.«
»Es ist eigentlich nur ein kleiner Eingriff. Kaum komplizierter als eine Blinddarmoperation.«
»Ich wette, das sagen Sie allen Ihren Patienten.«
»Nein, bestimmt nicht. Es ist ein kurzer, einfacher Eingriff. Er wird nur etwa eineinhalb Stunden dauern.«
Er nickte, aber ihr war nicht klar, ob sie ihn beruhigt hatte oder nicht.
»Wissen Sie«, sagte er, »ich glaube immer noch nicht, daß es soweit kommen wird. Ich denke dauernd, daß morgen früh im letzten Augenblick jemand erscheint und sagt, »Sie sind geheilt, Benson, Sie können nach Hause gehen«.«
»Wir hoffen sehr, Sie durch die Operation zu heilen«, sagte sie, und dieser Satz ging ihr ganz glatt über die Lippen, aber sie hatte ein schlechtes Gewissen dabei.
»Sie sind so verdammt vernünftig«, sagte er. »Das kann ich manchmal gar nicht ausstehen.«
»Stört es Sie?«
Er griff mit der Hand nach seinem Kopf. »Ich weiß nur eines, man wird mir Löcher in den Kopf bohren und Drähte hineinstecken«
»Das wissen Sie aber doch schon seit langem.«
»Klar« sagte er. »Das schon, aber morgen passiert es.« »Sind Sie aufgeregt?«
»Nein, ich habe nur Angst.«
»Das ist in Ordnung. Das ist völlig normal. Aber lassen Sie sich nicht aufregen.«
Er drückte die Zigarette aus und zündete sich sofort eine neue an. Dann deutete er auf die Tafel, die sie unter dem Arm trug. »Was ist das?«
»Ein Psychodex-Test, den ich mit Ihnen durchgehen möchte.« »Jetzt?«
»Ja. Eine reine Routinesache.«
Er zuckte gleichgültig die Achseln. Er hatte diesen Psychodex-Test schon mehrmals hinter sich gebracht. Sie reichte ihm die Tafel, und er begann, die Fragen zu beantworten. Dabei las er sie laut vor.
»Möchten Sie lieber ein Elefant oder ein Affe sein? - Ein Affe. Elefanten leben mir zu lange.«
Er machte mit dem Metallstift das entsprechende Loch auf der Karte.
»Wenn Sie eine Farbe wären, würden Sie dann lieber Grün oder Gelb sein? - Gelb. Ich fühle mich im Augenblick sehr gelb.« Er lachte und lochte die Antwort.
Sie wartete, bis er alle dreißig Fragen beantwortet hatte.
Dann reichte er ihr die Tafel mit dem Formular zurück. Seine Stimmung schlug wieder um. »Werden Sie morgen hier sein?«
»Ja.«
»Werde ich so wach sein, daß ich Sie erkenne?«
»Ich denke schon.«
»Und wann komme ich wieder zu mir?«
»Gegen Abend.«
»So rasch?«
»Es ist tatsächlich nur ein kleiner Eingriff«, sagte sie noch einmal. Er nickte. Sie fragte ihn dann, ob sie ihm noch etwas besorgen sollte, und er bat um ein Ginger Ale. Aber sie machte ihm klar, daß er zwölf Stunden vor der Operation nichts zu sich nehmen dürfe. Sie erklärte ihm noch, daß er zum Einschlafen eine Spritze bekäme und morgen früh, vor der Verlegung in den OP, noch ein paar weitere Injektionen. Dann wünschte sie ihm eine gute Nacht.
Sie ging und schloß die Tür. Hinter sich hörte sie wieder den Fernseher summen und eine metallische Stimme sagen, »hören Sie, Leutnant, da draußen läuft ein Mörder herum, irgendwo in einer Stadt mit drei Millionen Einwohnern.« Sie ging.
Bevor sie die Station verließ, schrieb sie noch eine Notiz für die Krankenakte. Sie umrandete den Text rot, damit er von den Schwestern nicht übersehen werden konnte:
AUFNAHME - PSYCHIATRISCHE CHARAKTERISTIK!
Dieser vierunddreißigiährige Mann leidet seit zwei Jahren nachweislich unter psychomotorischer Epilepsie. Die Ätiologie nach einem Verkehrsunfall ist vermutlich traumatisch. Der Patient hat bereits zwei Mordversuche unternommen und weitere Menschen tätlich angegriffen. Sollte er gegenüber dem Krankenhauspersonal erklären, er »fühle sich komisch« oder »spüre einen schlechten Geruch«, so ist das als Beginn eines neuen Anfalls zu werten. Unter diesen Umständen sind sofort die NPFA und die Wachstation zu verständigen!
Der Patient leidet außerdem an einer Störung des Persönlichkeitsbildes. Er ist davon überzeugt, daß Maschinen sich zur Übernahme der Weltherrschaft verschworen haben. Diese Überzeugung ist fest in ihm verankert und jeder Versuch, sie ihm auszureden, stimmt ihn nur feindselig und macht ihn mißtrauisch. Bitte beachten Sie außerdem, daß er ein sehr intelligenter und sensibler Mann ist. Der Patient dürfte zeitweilig sehr strapaziös sein, dennoch ist er bei aller Bestimmtheit rücksichtsvoll zu behandeln. Sein intelligentes und zielstrebiges Auftreten
Weitere Kostenlose Bücher