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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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befriedigt war.«
    Ralph trank seinen Kognak herunter. Ellis stellte fest, daß Ralph eine breite Krawatte mit einem psychedelischen Muster trug. Vierzig Jahre ist dieser Mann alt, dachte Ellis. Er spielt den Hippie, macht Public Relations und muß sich beim Gedanken an diese Frau mit Kognak beruhigen.
    »Unter pathologischem Rausch verstehe ich das Phänomen von Gewaltausbrüchen und einer Art Volltrunkenheit nach Aufnahme winziger Alkoholmengen, wobei schon zwei Schlucke genügen. Diese kleine Alkoholmenge löst den Anfall aus.«
    Ellis dachte an seinen Patienten Benson, ein rundlicher, kleiner Mann, ein freundlicher, gut erzogener Computerfachmann, der etwas trinkt und dann wahllos Leute zusammenschlägt, gleichgültig ob Mann oder Frau, wie sie ihm gerade zufällig in die Quere kommen. Ein solches Verhalten durch Drähtchen zu kurieren, die man ihm ins Hirn steckt, erschien ihm geradezu absurd.
    Daran schien auch Ralph zu denken. »Und die Operation wird ihn nun von der Gewalttätigkeit heilen?«
    »Ja«, antwortete McPherson. »Wir glauben schon. Wenn dieser Eingriff auch noch nie an einem Menschen vorgenommen wurde. Er wird morgen früh im Krankenhaus erstmalig ausgeführt.«
    »Ich verstehe«, sagte Ralph, als ob er jetzt erst den Anlaß dieser Einladung begriffe.
    »Für die Presse ist das natürlich eine sehr heikle Sache«, sagte McPherson.
    »O ja, das ist mir durchaus klar.«
    Es entstand eine kurze Pause, dann fragte Ralph: »Wer wird operieren?«
    »Ich«, sagte Ellis.
    »Dann muß ich gleich mal unsere Unterlagen durchsehen«, sagte Ralph. »Hoffentlich haben wir ein neueres Bild von Ihnen und den Lebenslauf für die Presseerklärung.« Bei dem Gedanken an die bevorstehende Arbeit runzelte er die Stirn.
    Ellis war über die Reaktion dieses Mannes erstaunt. Machte er sich wirklich keine anderen Gedanken? Ging es ihm nur um ein neueres Foto? Aber McPherson überwand die peinliche Pause. »Sie bekommen von uns alles, was Sie brauchen«, sagte er und schloß damit die Besprechung.

5
    Robert Morris aß gerade ein Stück fad schmeckenden Apfelkuchen im Erfrischungsraum des Krankenhauses, als sein »Vögelchen« piepste. Das elektronische Rufgerät gab einen unangenehm hohen Quietschton von sich, der so lange anhielt, bis Morris zum Gürtel griff und ihn abstellte. Er stieß die Gabel wieder in den Kuchen. Nach ein paar Sekunden piepste das »Vögelchen« erneut. Fluchend legte er die Gabel hin und ging zum nächsten Wandtelefon. Anfangs hatte er das kleine graue Kästchen an seinem Gürtel als großartige Sache empfunden. Er hatte die Augenblicke genossen, wenn er ein Mädchen zum Essen eingeladen hatte und ihn das elektronische »Vögelchen« dann zum nächsten Telefon rief. Das Piepsen dokumentierte, welch ein vielbeschäftigter Mann er war, eine Persönlichkeit mit verantwortungsvollem Beruf, bei dem es nicht selten um Leben und Tod ging. Wenn sich das »Vögelchen« meldete, war er immer sofort aufgesprungen, hatte sich entschuldigt mit der Miene eines Mannes, dem die Pflicht über das Vergnügen geht. So etwas gefällt den Mädchen. Nach ein paar Jahren kam ihm die Einrichtung nicht mehr so großartig vor. Das graue Kästchen war ein seelenloser, unerbittlicher Quälgeist geworden, der ihm nur noch die Tatsache unterstrich, wie wenig er sein eigener Herr war. Ständig mußte er irgendeiner höheren Instanz zur Verfügung stehen, auch wenn der Anlaß manchmal geradezu lächerlich war: Eine Krankenschwester fragte um zwei Uhr morgens wegen eines verordneten Medikaments nach, ein Verwandter spielte sich auf wegen der Versorgung der frischoperierten Mama, jemand teilte ihm mit, daß eine Konferenz stattfinde, und das, während er bereits in dieser verdammten Konferenz saß. Und so ging das nun Tag für Tag.
    Heute empfand er die wenigen Stunden, in denen er zu Hause das Kästchen ablegen durfte, als die schönsten Augenblicke in seinem Leben. Dann war er unerreichbar, ein freier Mensch. Das gefiel ihm heute.
    Während er die Nummer der Zentrale wählte, schaute er hinüber zu den Überresten seines Apfelkuchens. »Hier Doktor Morris.«
    »Doktor Morris bitte zwei-vier-sieben-eins.«
    »Danke.« Das war der Anschluß der Stationsschwestern im siebenten Stock. Seltsam, daß er alle Hausanschlüsse auswendig gelernt hatte. Die Telefonanlage im Universitätskrankenhaus war bestimmt komplizierter als die ganze Anatomie des Menschen. Im Laufe der Jahre hatte er sie sich, ohne besondere Anstrengung, eingeprägt.

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