Endstation
Metallrahmen. Der Röntgenfachmann trat vor und schoß die Bilder.
Janet Ross erinnerte sich noch daran, wie früher echte Röntgenaufnahmen gemacht und die Position durch Betrachtung der Filme bestimmt wurde. Es war ein mühseliger Vorgang gewesen. Mit Kompaß, Schieblehre und Lineal wurden Linien über das Röntgenbild gezeichnet, es wurde gemessen und kontrolliert. Jetzt gab man die Daten in den Computer ein, der die Analyse viel rascher und präziser durchführte.
Das ganze Team wandte sich dem Computerschirm zu. Für einen Augenblick erschienen die Röntgenbilder, wurden aber rasch durch schematische Zeichnungen ersetzt. Die Lage des stereotaktischen Rahmens wurde berechnet und die Idealposition darübergeblendet. Die Koordinaten blitzten auf, dann folgte die Bestätigung KORREKTE POSITION.
Ellis nickte. »Vielen Dank für die Konsultation«, sagte er humorlos und ging hinüber zu dem Tablett mit den Elektroden.
Neuerdings verwendete man teflonüberzogene Elektroden aus rostfreiem Stahl nach Briggs, nachdem fast alles andere ausprobiert worden war: Gold, Platinlegierungen, sogar flexible Stahlsaiten, als man die Elektroden noch unter optischer Kontrolle setzen mußte. Die früheren Operationen unter optischer Kontrolle waren meist unangenehme und blutige Angelegenheiten gewesen. Man mußte größere Teile der knöchernen Schädelplatte entfernen und das Gehirn teilweise freilegen. Der Chirurg suchte mit dem Auge die Richtpunkte auf der Hirnoberfläche und schob dann seine Elektroden in die Hirnsubstanz. Hatte er die Elektroden in tiefer liegende Schichten einzusetzen, mußte er gelegentlich mit dem Messer Hirnwindungen bis zu den Ventrikeln durchschneiden, um dann die Elektroden anzubringen. Das waren hochkomplizierte Eingriffe. Die Operationen waren langwierig, die Patienten litten sehr darunter.
Das alles war heute durch den Computer grundlegend anders geworden. Jetzt war es möglich, einen Punkt in einem dreidimensionalen Raum mit größter Präzision zu orten. Anfangs hatte man in der Neuropsychiatrischen Forschungsstation das versucht, was andere Forscher auf diesem Gebiet auch taten, nämlich Punkte im Inneren des Hirns durch Orientierungspunkte am äußeren Schädel zu lokalisieren. Man maß ihre Bezugspunkte von der Augenhöhle aus, vom Ohrausgang, von der Knochennaht. Aber das klappte natürlich nicht, da im Grunde kein Gehirn dem anderen gleicht und auch die knöcherne Schädelkapsel variiert. Es gab nur eine Methode, Punkte im Inneren eines Hirns festzulegen: Man mußte sie individuell zu anderen Punkten in dem Hirn in Beziehung bringen, und dafür boten sich logischerweise die Ventrikel an, die mit Flüssigkeit gefüllten Hohlräume im Hirn. Nach diesem neuen System wurden nun alle Punkte im Gehirn von diesen Ventrikeln her bestimmt. Durch den Einsatz des Computers war es nicht mehr nötig, das Hirn selbst freizulegen. Man bohrte statt dessen einige kleine Löcher in den Schädelknochen und schob die Elektroden hindurch, während der Computer über Röntgenstrahlen kontrollierte, ob die Elektroden den richtigen Ort erreichten.
Ellis griff nach dem ersten Elektrodenbündel. Janet Ross konnte von ihrem Standort aus nur einen dünnen Draht erkennen. In Wirklichkeit handelte es sich um einen Strang aus zwanzig Drähten, mit gestaffelten Kontaktspitzen. Jedes Drähtchen war bis auf den letzten Millimeter an der Spitze mit Teflon überzogen. Die Drähte hatten unterschiedliche Länge und sahen unter dem Vergrößerungsglas aus wie eine winzige Treppe.
Ellis kontrollierte das Bündel unter einem starken Glas. Er verlangte mehr Licht, drehte es hin und her und überprüfte alle Kontaktspitzen. Dann wies er eine Operationsschwester an, das Elektrodenbündel ans Prüfgerät anzuschließen und jeden einzelnen Kontakt zu prüfen. Das war zwar schon dutzendemal geschehen, aber Ellis setzte niemals eine Elektrode ein, ohne sie noch einmal nachzuprüfen. Obgleich er nur zwei Elektrodenbündel brauchte, hatte er immer vier sterilisiert bereitliegen. Ellis war ein vorsichtiger Mensch.
Endlich gab er sich zufrieden. »Fertig zum Anschluß?« fragte er seine Mitarbeiter.
Sie nickten.
Er trat wieder an den Patienten heran und sagte: »Gehen wir jetzt durch die Dura.«
Der Schädelknochen war zwar schon durchbohrt, nicht jedoch die Dura mater, die feste Membran, die das Hirn und die Rückenmarkflüssigkeit umschloß. Ellis’ Assistent durchstieß die Dura mit einer Sonde.
»Ich habe sie«, sagte er. Ein paar
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