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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Tropfen der klaren Flüssigkeit liefen aus dem Durchstich an der Seite des rasierten Schädels herunter. Eine Schwester tupfte sie weg. Janet Ross fand es immer wieder staunenswert, wie geschützt das menschliche Gehirn liegt. Natürlich sind auch andere lebenswichtige Körperorgane gegen äußere Einwirkungen abgedeckt: Lungen und Herz sind von dem knöchernen Käfig der Rippen umgeben, Leber und Milz liegen unter dem Rippenbogen, die Nieren sind in Fettkapseln gebettet unter kräftigen Rückenmuskeln verborgen. Dieser Schutz ist aber nichts im Vergleich zum Zentralnervensystem, das vollkommen von Knochen umschlossen wird. Aber damit nicht genug - in diesem Knochenpanzer befindet sich noch eine sackähnliche Membran, die mit einer zerebrospinalen Flüssigkeit angefüllt ist, die unter Druck steht. Und in diesem Flüssigkeitsmantel wirklich hervorragend geschützt ruhen Gehirn und Rückenmark.
    McPherson hatte es einmal mit einem Fötus in der fruchtwassergefüllten Gebärmutter verglichen. Er sagte dazu: »Das Baby tritt sehr bald aus dem Mutterleib aus, das Hirn jedoch ruht zeitlebens in seiner eigenen Gebärmutter.«
    »Wir setzen jetzt ein«, sagte Ellis.
    Janet Ross trat nun vor und stellte sich zu den Operateuren, die um den Kopf des Patienten versammelt waren. Sie beobachtete Ellis, wie er die Spitze der Elektrode in das Bohrloch schob und sie mit sanftem Druck in die Hirnmasse einführte. Der Techniker betätigte einige Knöpfe auf seinem Computerpult. Auf dem Schirm erschienen die Worte EINTRITTSPUNKT LOKALISIERT. Der Patient bewegte sich nicht und gab auch keinen Laut von sich. Das Hirn ist völlig schmerzunempfindlich. Es besitzt keine Sinneszellen des Schmerzes. Es gehört zu den Absonderlichkeiten der menschlichen Entwicklung, daß gerade das Organ, das jeden Schmerz im ganzen Körper aufspürt und bewußt macht, selbst nichts fühlt.
    Janet Ross schaute hinüber zu den Röntgenschirmen. Auf dem kontrastreichen Schwarzweißbild zeichnete sich deutlich die weiße Elektrode ab, die langsam aber stetig ins Gehirn eindrang. Sie sah von der Frontansicht hinüber zur Seitenansicht und betrachtete dann die vom Computer errechneten Schemata.
    Der Computer interpretierte die Röntgenbilder, indem er ein vereinfachtes Hirn darstellte, dessen Zielbereich im Schläfenlappen rot aufleuchtete, während eine flackernde blaue Spur die Linie aufzeigte, die vom Eintrittspunkt bis zum Zielgebiet der Elektrode führte. Bisher folgte Ellis millimetergenau diesem Weg.
    »Sehr gut«, sagte Janet.
    Die Elektroden drangen tiefer ein. Der Computer warf in rascher Folge dreidimensionale Koordinaten aus. »Übung macht den Meister«, sagte Ellis trocken. Er arbeitete jetzt mit der Umsetzung am stereotaktischen Hut. Diese Umsetzung verwandelte die relativ ungenauen Fingerbewegungen in winzige, sehr genau dosierbare Bewegungen. Wenn Ellis mit den Fingern zwei Zentimeter nachschob, bewegte sich die Elektrode nur um einen halben Millimeter. Sehr langsam drang sie immer tiefer ins Him ein.
    Janet Ross hob den Blick und sah auf dem Schirm des internen Fernsehnetzes Ellis bei der Arbeit. Er war hier im Bild leichter zu beobachten als in der Realität. Plötzlich fuhr sie herum, als Benson deutlich »Äh!« sagte.
    Ellis hielt inne. »Was war das?«
    »Der Patient«, antwortete der Anästhesist.
    Ellis beugte sich vor und beobachtete Bensons Gesicht.
    »Alles in Ordnung, Mister Benson?« fragte er laut und deutlich.
    »Ja, prima«, antwortete Benson mit schwerer Zunge.
    »Schmerzen?« »Nein.«
    »Gut. Entspannen Sie sich bitte.« Er machte sich wieder an die Arbeit.
    Janet atmete erleichtert auf. Das alles setzte ihr zu, obgleich sie wußte, daß kein Grund zur Besorgnis vorlag. Benson konnte keine Schmerzen empfinden, und sie wußte ja, daß durch die Medikamente nur eine Art Halbschlaf hervorgerufen werden sollte, keine Bewußtlosigkeit. Es war nicht notwendig, das Risiko einer Allgemeinanästhesie einzugehen.
    Sie drehte sich wieder dem Computerschirm zu. Er zeigte jetzt das Hirn von unten, vom Halsansatz her. Der Weg der Elektrode wurde von vorn sichtbar, als kleiner blauer Punkt, umgeben von konzentrischen Kreisen. Ellis mußte den vorgezeichneten Weg mit einer Toleranz von nur einem Millimeter treffen. Er wich einen halben Millimeter ab.
    ABWEICHUNG 50. warnte der Computer. Janet sagte: »Sie liegen daneben.«
    Die Elektrodenspitzen blieben unbeweglich. Ellis hob den Kopf. »Zu hoch auf der Beta-Ebene?«
    »Abweichung nach

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