Endstation
wußte sie, daß das albern war, aber es machte ihr Spaß. Sie fühlte sich in einer gewissen Weise wohl bei ihm, weil sie nie über Medizin, das Krankenhaus oder über Psychiatrie reden mußte. Dafür interessierte sich Arthur nicht. Er war an ihr als Frau interessiert (»Nicht als Sexobjekt?« Dieser verdammte Doktor Ramos). Als sie ihn dann näher kennenlernte, hatte sie doch das Bedürfnis, über ihre Arbeit zu sprechen. Sie stellte mit einiger Überraschung fest, daß Arthur davon gar nichts hören wollte. Ihre Arbeit machte Arthur Angst. Leistung machte ihn unsicher. Offiziell war er Börsenmakler -kein Problem für den Sohn eines reichen Mannes -, und er redete sehr sicher über Geld, Investments, Zinsraten, Staatsanleihen. Aber er wirkte dabei aggressiv, als müßte er sich verteidigen oder nach einer Rechtfertigung suchen.
Dann wurde ihr etwas klar, das sie eigentlich von Anfang an hätte wissen sollen: Arthur interessierte sich für sie hauptsächlich deshalb, weil sie etwas darstellte. Es war zumindest theoretisch schwieriger, sie zu beeindrucken und mitzureißen, als die kleinen Schauspielerinnen im »Candy Store«. Deshalb war es natürlich auch befriedigender.
Schließlich behagte ihr diese Rolle nicht mehr. Es machte ihr keinen Spaß mehr, in seiner Gesellschaft frivol zu sein, und alles wurde ein wenig deprimierend. Die Anzeichen waren nicht zu übersehen: Sie hatte so viel im Krankenhaus zu tun, daß sie Verabredungen absagen mußte, und wenn sie ihn traf, ödete sie alles an, seine übertriebene Art, seine Rastlosigkeit, seine Kleidung, seine Autos.
Sie beobachtete ihn, wenn er ihr beim Essen gegenübersaß und suchte vergeblich nach dem, was sie anfangs in ihm gesehen hatte. Es war keine Spur mehr davon vorhanden. Gestern abend hatte sie Schluß gemacht. Beide hatten sie gewußt, daß es so kommen mußte.
Warum deprimierte sie das aber?
»Sie sagen ja nichts mehr«, bemerkte Gerhard.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Alle anständigen Menschen müssen jetzt dem armen Patienten helfen. Fuchs, du hast die Gans gestohlen. Wir alle gehen den vorbestimmten Weg.« Sie hielt inne. »Genügt das?«
»Nicht ganz.«
»Mariechen saß weinend im Garten. Ich weiß nicht mehr, wie es weitergeht.« Sie mußte lachen.
»Das genügt. Der Ton ist eingependelt.«
Sie sah hinauf zu dem Lautsprecher. »Werden Sie nach diesem Gespräch die Schaltung vornehmen?«
»Vermutlich«, sagte er. »Wenn alles gutgeht. Rog drängt darauf, ihm Beruhigungsmittel zu geben.«
Sie nickte. Das war die letzte Etappe in Bensons Behandlung, und sie mußte erledigt werden, bevor die Beruhigungsmittel verabreicht werden konnten. Benson hatte bis Mitternacht Phenobarbital bekommen. Heute morgen war er wieder klar im Kopf und bereit für die Schaltung.
McPherson hatte dafür aus der Computersprache den Begriff »Interfacing« übernommen. Interface bedeutete die Grenzfläche zwischen zwei Computersystemen. Oder auch den Randbezirk zwischen einem Computer und einem Effektor-Mechanismus. In Bensons Fall konnte man fast von der Abstimmung zwischen zwei Computern sprechen, seinem Gehirn und dem kleinen Computer in seinem Nacken. Die Drähte waren zwar angeschlossen, aber noch nicht durchgeschaltet. Erst wenn das geschehen war, kam die Rückkopplungsschleife Benson-Com puter-Benson zustande.
McPherson sah in diesem Fall den Anfang einer langen Reihe. Er hatte vor, nach den Epileptikern auch mit Schizophrenen, geistig Zurückgebliebenen und Blinden zu arbeiten. Die Graphiken dafür hingen schon an der Wand seines Büros. Er beabsichtigte, dabei immer kompliziertere Computer einzusetzen. Schließlich sollten auch Projekte wie »Form Q« drankommen, was selbst Janet Ross ein wenig weit hergeholt erschien. Aber heute galt es die praktische Frage zu beantworten, welche der vierzig Elektroden den Anfall verhinderte. Das wußte noch niemand. Es ließ sich nur experimentell feststellen.
Bei der Operation waren die Elektroden millimetergenau in das Zielgebiet eingeführt worden. Eine hervorragende chirurgische Leistung, und doch angesichts der Dimensionen, nach denen das Gehirn gebaut ist, nur eine grobe Annäherung. Eine Nervenzelle im Gehirn hat einen Durchmesser von einem Mikron. Auf jeden Millimeter kommen tausend Nervenzellen.
Infolgedessen konnte man das angestrebte Ziel nur ungefähr erreichen und mußte daher viele Elektroden benutzen. Man durfte davon ausgehen, daß dann wenigstens eine dieser Elektroden genau richtig plaziert
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