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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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nicht ins Krankenhaus zurückgekehrt?
    Sie ging hinaus ins Wohnzimmer. Benson stand an den großen Fenstern und blickte hinaus auf die Stadt, die sich meilenweit nach allen Richtungen erstreckte.
    »Sind Sie böse auf mich?« fragte er.
    »Böse, warum denn?«
    »Weil ich weggelaufen bin.«
    »Warum sind Sie weggelaufen, Harry?« Sie fühlte, wie mit jedem Wort ihre Kraft, ihre Sicherheit wuchs. Sie konnte mit diesem Mann fertig werden. Das war ihr Beruf. Sie war schon mit gefährlicheren Typen, als diesem hier, allein gewesen. Sie erinnerte sich noch gut an eine Praktikantenzeit im Staatskrankenhaus Cameron, wo sie mit Psychopathen und Massenmördern gearbeitet hatte - charmanten, liebenswerten, eiskalten Männern. »Weshalb? Deshalb!« Er setzte sich lächelnd in einen Sessel. Er rutschte hin und her, aber der Sessel schien ihm unbequem zu sein. Er stand auf und setzte sich auf das Sofa. »Ihre Möbel sind alle so ungemütlich. Wie können Sie sich nur in einer solchen Umgebung wohl fühlen?«
    »Mir gefällt die Wohnung.«
    »Aber sie ist unbequem.« Er sah sie fast herausfordernd an. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie ihm nicht hier hätte gegenübertreten müssen. Diese Umgebung war für ihn bedrohlich, und auf jede Bedrohung reagierte Benson aggressiv.
    »Wie haben Sie mich überhaupt gefunden, Harry?«
    »Überrascht es Sie, daß ich Ihre Adresse weiß?«
    »Ja, ein wenig schon.«
    »Ich bin ein vorsichtiger Mensch«, erklärte er. »Bevor ich ins Krankenhaus ging, erkundigte ich mich nach den Adressen aller Beteiligten - von Ellis, McPherson, Morris, von Ihnen.«
    »Warum?«
    »Nur für alle Fälle.«
    »Was haben Sie denn erwartet?«
    Er gab ihr keine Antwort. Er stand wieder auf und sah zum Fenster hinaus auf die Stadt. »Da draußen sucht man nach mir«, sagte er. »Oder etwa nicht?«
    »Doch.«
    »Aber man wird mich nie finden. Die Stadt ist zu groß.«
    In der Küche begann der Wasserkessel zu pfeifen. Sie murmelte eine Entschuldigung und ging den Kaffee aufgießen. Ihr Blick suchte nach einem schweren Gegenstand. Vielleicht sollte sie versuchen, ihn niederzuschlagen. Ellis würde ihr das nie verzeihen, aber …
    »Sie haben da ein Bild an der Wand hängen!« rief Benson. »Es besteht aus lauter Ziffern. Von wem ist das?«
    »Von einem gewissen Johns.«
    »Warum zeichnet ein Mensch Ziffern? Zahlen sind etwas für Maschinen.«
    Sie rührte den Pulverkaffee um, goß Milch hinein und setzte sich mit ihrer Tasse ins Wohnzimmer.
    »Harry »Nein, ich meine es ernst. Sehen Sie sich das hier an. Was soll denn das darstellen?« Er klopfte mit dem Fingerknöchel auf ein anderes Bild.
    »Kommen Sie, Harry, setzen Sie sich.«
    Er sah sie eine Weile an, dann trat er näher und ließ sich ihr gegenüber auf der Couch nieder. Er wirkte verkrampft, aber im nächsten Moment lächelte er zufrieden. Sekundenlang weiteten sich seine Pupillen. Wieder eine Stimulation, dachte sie.
    Was zum Teufel soll ich machen, überlegte Janet.
    »Harry?« fragte sie. »Was war nun los?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er.
    »Sie haben das Krankenhaus verlassen …«
    »Ja, ich habe einen Anzug der Pfleger angezogen und habe so das Krankenhaus verlassen. Alles war genau geplant. Angela hat mich abgeholt.«
    »Und dann?«
    »Dann fuhren wir zu mir. Ich war furchtbar überdreht.«
    »Warum überdreht?«
    »Ich weiß doch schließlich, wie alles enden wird.«
    Ihr war nicht ganz klar, was er damit meinte. »Wie soll es denn enden?«
    »Von meinem Haus weg fuhren wir in ihre Wohnung, tranken ein paar Gläschen und liebten uns. Dann erklärte ich ihr, wie alles enden würde. Sie bekam Angst. Sie wollte das Krankenhaus anrufen und Bescheid sagen, wo ich mich aufhalte.« Er starrte ins Leere und verlor den Faden. Sie drängte nicht. Er hatte dann einen Anfall erlitten und erinnerte sich bestimmt nicht daran, daß er das Mädchen getötet hatte. Sein Erinnerungsschwund war bestimmt echt.
    Sie wollte nur erreichen, daß er weiterredete. »Warum haben Sie das Krankenhaus verlassen, Harry?«
    »Es war am Nachmittag«, sagte er und wandte sich ihr zu. »Ich lag am Nachmittag da in meinem Bett und merkte plötzlich, daß alle sich um mich kümmerten und daß mich alle versorgten, wie man eine Maschine versorgt. Davor hatte ich von Anfang an Angst.«
    Die Wissenschaftlerin in ihr fand ihren Verdacht bestätigt. Bensons geistige Fehlhaltung gegenüber Maschinen war im Grunde genommen die Angst, abhängig zu werden, nach der Operation seine

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