Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Aber die Milchstraße war da: den mäandernden Highway unserer Galaxie konnte man vom wogenden Horizont hinter uns erkennen, bis er im Leuchten der aufgehenden Monde verblasste. Normalerweise leuchteten die Sterne viel schwächer, wenn auch nur ein Standardmond der Alten Erde am Himmel stand, von diesen Giganten ganz zu schweigen. Ich vermutete, dass ein staubfreier Himmel, keine irgendwie gearteten anderen Lichtquellen und eine dünnere Atmosphäre für dieses unglaubliche Schauspiel verantwortlich waren. Ich konnte mir die Sterne hier in einer mondlosen Nacht nicht vorstellen.
Wo ist »hier«?, fragte ich mich. Ich hatte eine Ahnung. »Schiff?«, sagte ich zu meinem Komlog. »Bist du noch da?«
Ich war überrascht, als das Armband antwortete. »Die heruntergeladenen Sektionen sind noch da, M. Endymion. Kann ich Ihnen helfen?«
Die beiden anderen rissen die Blicke von dem aufgehenden Mondriesen los und sahen das Komlog an. »Du bist nicht das Schiff?«, sagte ich. »Ich meine...«
»Wenn Sie meinen, ob Sie eine direkte Verbindung zu dem Schiff haben, nein«, sagte das Komlog. »Die Komkanäle wurden abgeschnitten, als Sie das letzte Farcasterportal passiert haben. Aber diese Kurzfassung des Schiffs empfängt Videoaufnahmen.«
Ich hatte vergessen, dass das Komlog über lichtempfindliche Sensoren verfügte. »Kannst du uns sagen, wo wir sind?«, fragte ich.
»Einen Augenblick, bitte«, antwortete das Komlog. »Wenn Sie das Komlog etwas höher halten könnten – danke –, werde ich den Himmel sondieren und mit Navigationskoordinaten abgleichen.«
Während das Komlog suchte, sagte A. Bettik: »Ich glaube, ich weiß, wo wir sind, M. Endymion.«
Ich glaubte es ebenfalls zu wissen, ließ aber den Androiden sprechen.
»Dies scheint der Beschreibung von Mare Infinitus zu entsprechen«, sagte er. »Eine der alten Welten im Netz und heute Mitglied des Pax.«
Aenea sagte nichts. Sie betrachtete immer noch den aufgehenden Mond mit verzücktem Gesichtsausdruck. Ich sah zu der orangeroten Kugel hoch, die den Himmel beherrschte, und stellte fest, dass ich rostfarbene Wolken erkennen konnte, die über die staubige Oberfläche zogen. Als ich genauer hinsah, konnte ich auf der Oberfläche Konturen erkennen: braune Flecken, bei denen es sich um Vulkanschlacke handeln konnte, die lange, verzweigte Narbe eines Tals, eine Andeutung von Eisflächen am Nordpol und einen undefinierbaren Strahlenkranz von Linien, die möglicherweise Gebirgszüge miteinander verbanden. Es erinnerte ein wenig an Holos vom Mars im System der Alten Erde, die ich gesehen hatte – vor seiner Terraformung.
»Mare Infinitus scheint drei Monde zu besitzen«, sagte A. Bettik,
»obwohl in Wirklichkeit Mare Infinitus der Satellit einer Felsenwelt ist, die fast die Größe des Jupiter hat.«
Ich zeigte auf den Staubmond. »Das da?«
»Exakt«, sagte der Androide. »Ich habe Bilder gesehen... Sie ist unbewohnt, aber während der Hegemonie arbeiteten Roboter in Bergwerken darauf.«
»Ich glaube auch, dass es Mare Infinitus ist«, sagte ich. »Ich habe Jäger von anderen Welten davon sprechen hören. Großartiges Tiefseefischen. Sie sagen, dass in den Meeren von Mare Infinitus eine Art Cephalochordatawesen mit Fühlern lebt, das über hundert Meter lang wird. Es verschluckt die Schiffe der Fischer in einem Stück, wenn es nicht vorher gefangen wird.«
Da hielt ich den Mund. Wir sahen alle hinab in das rotweindunkle Wasser. In der Stille zirpte plötzlich mein Komlog. »Ich hab’s! Der Sternenhimmel stimmt völlig mit meiner Navigationsdatenbank überein.
Sie befinden sich auf dem Satelliten einer Sub-Jupiter-Welt, die den Stern Siebzig Ophiuchi A umkreist, siebenundzwanzig Komma neun Lichtjahre von Hyperion entfernt, sechzehn Komma vier null sieben zwei Lichtjahre vom System der Alten Erde. Es handelt sich um das System eines Doppelsterns, Siebzig Ophiuchi A, bei Null Komma sechs vier AE, ist das Primärgestirn, und Siebzig Ophiuchi B, bei acht neun AE, das sekundäre.
Da bei Ihnen Atmosphäre und Wasser vorzuliegen scheint, kann man annehmen, dass Sie sich auf dem zweiten Mond von Sub-Jupiter DB
Siebzig Ophiuchi A-Primus befinden, zu Zeiten der Hegemonie auch Mare Infinitus genannt.« »Danke«, sagte ich zu dem Komlog.
»Ich besitze weitere Astronavigationsdaten...«, zirpte das Armband.
»Später«, sagte ich und schaltete das Komlog aus.
A. Bettik nahm sein Hemd von dem behelfsmäßigen Mast ab und zog es an. Der Wind über dem Meer wehte stark,
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