Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
auf einem derartig breiten Fluss zu fahren – der Tethys war wieder fast einen Klick breit –, ohne Blitzableiter oder Gummimatten zu haben. Wir duckten uns und verzogen die Gesichter, wenn die bunten Blitze entweder am Ufer einschlugen oder den östlichen Horizont vor uns erleuchteten.
Plötzlich regnete es, und die schlimmsten Blitze schienen vorüber zu sein. Wir rannten zum Zelt – Aenea und A. Bettik gingen bei der vorderen Öffnung in die Hocke und hielten weiter nach Sandbänken oder treibenden Baumstämmen Ausschau, ich blieb hinten, wo das Mädchen das Zelt so geformt hatte, dass man auch am Ruder geschützt war.
Als ich auf dem Kans mit Barken gefahren war, hatte es heftig und oft geregnet – ich erinnere mich, wie ich in der Back der undichten alten Barke hockte und mich fragte, ob das verdammte Boot allein wegen der Last des Regens darauf sinken würde –, aber an einen Regen wie diesen kann ich mich nicht erinnern.
Einen Augenblick glaubte ich, wir wären auf einen zweiten Wasserfall gestoßen, diesmal einen viel größeren, und hätten, ohne es zu wissen, in seinem Sog gerudert –, aber wir fuhren weiter flussabwärts, und kein Wasserfall stürzte auf uns herab, es war nur die schreckliche Wucht des schlimmsten Unwetters, das ich je erlebt hatte.
Es wäre am klügsten gewesen, ans Ufer zu steuern und zu warten, bis der Wolkenbruch vorbei war, aber außer den bunten Lichtern, die hinter der vertikalen Wasserwand explodierten, konnten wir nichts erkennen, und ich hatte keine Ahnung, wie weit die Ufer entfernt waren oder ob sich dort eine Möglichkeit bieten würde, anzulegen und das Floß zu vertäuen. Daher band ich das Ruder in der höchsten Position fest, sodass es wenig tun würde außer das Heck hinten halten, verließ meinen Posten und hockte mich neben den Androiden und das Kind, während sich die Himmel auftaten und Flüsse, Seen, Meere voll Wasser auf uns herabgossen.
Es spricht für die Fähigkeit oder das Glück des Mädchens beim Formen und Sichern des Zelts, dass es nicht einmal zusammenklappte oder sich aus seiner Verankerung auf dem Floß löste. Ich sagte, dass ich mich zu ihnen hockte, aber in Wahrheit waren wir alle drei hektisch damit beschäftigt, die bereits festgebundenen Kisten zu halten, während das Floß schwankte, kippte, herumwirbelte und dann den Bug wieder nach vorn drehte. Wir hatten keine Ahnung, in welche Richtung wir fuhren, ob sich das Floß noch sicher in der Mitte des Flusses befand oder auf Felsen in Stromschnellen zufuhr oder sich Felswänden näherte, weil der Fluss vielleicht eine Biegung machte, der wir nicht folgten. In der Situation war es uns einerlei: Unser Ziel war, die Ausrüstung zusammenzuhalten, nicht über Bord gespült zu werden und so gut wie möglich auf die beiden anderen zu achten.
Einmal – ich hatte einen Arm um unseren Stapel Rucksäcke gelegt und hielt mit der anderen Hand das Mädchen am Kragen fest, das sich hinausbeugte, um ein Stück des Kochgeschirrs zu packen, das mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Zelt schoss – sah ich unter dem Baldachin unseres Unterstandes hervor und stellte fest, dass das gesamte Floß sich unter Wasser befand, abgesehen von der kleinen erhöhten Plattform, wo unser Zelt stand. Der Wind wehte schaumgekrönte Wellen, die je nach der Farbe des Lichterspiels rot oder hellgelb leuchteten, peitschend über das Floß hinweg. In diesem Augenblick fiel mir etwas ein, das ich beim Durchsuchen des Schiffs vergessen hatte: Schwimmwesten.
Ich zog Aenea unter die flatternde Hülle des Zelts zurück und brüllte gegen den Sturm an: »Kannst du auch schwimmen, wenn keine Schwerelosigkeit herrscht?«
»Was?« Ich konnte sehen, wie ihre Lippen das Wort formten, aber hören konnte ich es nicht.
»Kannst... du... schwimmen?«
A. Bettik schaute von seiner Position zwischen den rutschenden Kisten auf. Wasser wehte von seinem kahlen Kopf und der langen Nase. Wenn das Lichterspiel aufblitzte, sahen seine blauen Augen violett aus.
Aenea schüttelte den Kopf, aber ich war nicht sicher, ob sie meine Frage verneinte oder mir nur begreiflich machen wollte, dass sie mich nicht hören konnte. Ich zog sie dichter zu mir; ihr Mantel mit den vielen Taschen war durchnässt und flatterte wie eine Fahne im Sturm. »KANNST... DU... SCHWIMMEN??«, brüllte ich buchstäblich, so laut ich konnte. Vor Anstrengung ging mir die Puste aus. Ich machte hektische Schwimmbewegungen mit beiden Händen vor mir. Das Floß riss uns auseinander und
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