Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
warf uns gleich darauf wieder dicht zusammen.
Ich sah Verständnis in ihren dunklen Augen aufleuchten. Regen oder Gischt tropften von den Strähnen ihrer langen Haare. Sie lächelte, die Gischt verlieh ihren Zähnen ein feuchtes Aussehen, beugte sich zu mir und schrie mir ins Ohr.
»DANKE! ICH... WÜRDE GERNE... EIN WENIG... SCHWIMMEN. ABER... VIELLEICHT... SPÄTER.«
Da müssen wir in einen Strudel geraten sein, möglicherweise erfasste der Sturm auch nur das Zelt und benutzte es als Segel, um das Floß um seine Achse zu drehen, auf jeden Fall drehte sich das Floß einmal um sich selbst, schien zu zögern und kreiste dann weiter. Wir gaben es auf, die Ausrüstung festzuhalten, klammerten uns aneinander, als ob unser Leben davon abhinge, und kauerten in der Mitte der Zeltplattform. Mir wurde klar, dass Aenea schrie – eine Art fröhliches »Hey-HOO!« –, aber bevor ich ihr sagen konnte, dass sie still sein sollte, wiederholte ich ihren Schrei. Es tat gut, gegen das Kreisen und die Sintflut und den Sturm anzubrüllen, obwohl es nicht zu hören war und man nur die eigenen Schreie als Echos in Schädel und Knochen spüren konnte, während das Donnergrollen dort ebenfalls hallte. Ich schaute nach rechts, als scharlachrotes Licht den gesamten Fluss erhellte, sah einen Felsen mindestens fünf Meter aus dem Wasser ragen und das Floß daran vorbeitorkeln wie ein Kreisel, der mit einem Bindfaden gedreht wird, aber noch mehr erstaunte mich der Anblick von A. Bettik auf den Knien, der den Kopf zurückgeworfen hatte und zusammen mit uns »Hey-HOO!« brüllte, was seine Androidenlungen hergaben.
Der Sturm dauerte die ganze Nacht. Als es dämmerte, ließ der Regen nach, bis es nur noch Bindfäden goss. Die Blitze und das unterschwellige Donnern müssen etwa zur selben Zeit aufgehört haben, aber ich bin nicht sicher – ich schlief tief und fest und schnarchte, genau wie meine junge Freundin und mein Androidenfreund.
Als wir erwachten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel, keine Spur von Wolken, der Fluss floss wieder breit und ruhig und langsam, der Dschungel zog rechts und links vorbei wie eine nahtlose Kulisse, die an uns vorbeigezogen wurde, und der Himmel war zart und blau.
Eine Zeit lang konnten wir nur in unserer nassen und tropfenden Kleidung im Sonnenlicht sitzen und die Ellbogen auf die Knie legen. Wir sagten nichts. Ich glaube, der Mahlstrom der Nacht stand uns noch deutlich vor Augen, die Farbexplosionen fanden immer noch auf unseren Netzhäuten statt.
Nach einer Weile erhob sich Aenea auf zitternden Beinen. Die Oberfläche des Floßes war nass, aber immer noch über Wasser. Ein Stamm auf der Steuerbordseite hatte sich gelöst; an ein paar Stellen sahen wir zerfetztes Seil, wo Knoten sein sollten; aber alles in allem war unser Gefährt immer noch seetauglich... flusstauglich. Wie auch immer. Wir überprüften die Verbindungen und machten eine Zeit lang Inventur. Die Handlampe, die wir als Laterne aufgehängt hatten, war fort, ebenso eine der kleineren Lebensmittelkisten, aber alles andere schien noch da zu sein.
»Nun, ihr beiden könnt herumstehen«, sagte Aenea. »Ich werde Frühstück machen.«
Sie schaltete den Hitzewürfel auf Maximum, brachte binnen einer Minute Wasser in einem Kessel zum Kochen, schenkte sich Wasser für ihren Tee ein und goss den Rest in unsere Kaffeekanne, und dann schob sie alles beiseite und stellte eine Pfanne mit Frühstücksspeck und dünnen Kartoffelscheiben auf, die sie zuschnitt.
Ich betrachtete den brutzelnden Speck und sagte: »Ich dachte, du wärst Vegetarierin.«
»Bin ich«, sagte das Mädchen. »Ich esse Weizenchips und etwas von dieser grässlichen aufbereiteten Milch aus dem Schiff, aber dieses eine Mal bin ich Küchenchefin, und ihr beiden sollt gut essen.«
Wir aßen gut und saßen dabei an der Vorderkante der Zeltplattform, wo wir sonnenbaden und unsere Kleidung trocknen konnten. Ich zog den zerdrückten Dreispitz aus der Tasche, wrang ihn aus und setzte ihn als Schattenspender auf den Kopf. Das brachte Aenea wieder zum Lachen. Ich sah zu A. Bettik, aber der Androide war so aufmerksam und ausgeglichen wie immer – als hätte er nie zusammen mit uns sein »Hey-HOO« gebrüllt.
A. Bettik zog eine Stange an der Vorderseite des Floßes heran – ich hatte sie schwenkbar verzurrt, damit wir nachts eine Laterne daran befestigen konnten –, aber stattdessen zog er sein löchriges weißes Hemd aus und hängte es daran zum Trocknen auf. Die Sonne glänzte auf
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