Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
das Zittern hatte aufgehört –, und mir wurde klar, das lag an der absolut unausweichlichen Klarheit der Todesstrafe, die soeben über uns verhängt worden war.
    Es gab – das wird mir jetzt klar – noch einen anderen Grund für diese Oase der Ruhe inmitten der Wüste von Schmerz und Hoffnungslosigkeit.
    Es war die Wärme. Die Erinnerung an die Wärme. Das Leben, das von diesen beiden Menschen in mich eingeströmt war, die Tatsache, dass ich es akzeptiert hatte, die Aura einer heiligen Kommunion, die der Tat innewohnte. In der Dunkelheit, beim Schein der Laternen, kümmerten wir uns nun um die dringende Angelegenheit des Versuches, am Leben zu bleiben, diskutierten unmögliche Pläne, etwa uns mit dem Plasmagewehr einen Weg freizuschießen, verwarfen aussichtslose Vorgehensweisen und fingen wieder von vorn an zu diskutieren. Aber währenddessen hielt mich in dieser kalten, dunklen Grube der Verwirrung und wachsenden Hoffnungslosigkeit der Kern der Wärme ruhig, den diese beiden...
    Freunde... in mich eingehaucht hatten, genauso wie ihre menschliche Nähe mich am Leben gehalten hatte. In den bevorstehenden schweren Zeiten –
    und selbst heute noch, während ich dies niederschreibe, während ich mit jedem Atemzug auf den Tod durch Blausäure warte – machte mich die Erinnerung an die geteilte Wärme, dieses erste rückhaltlose Teilen der Lebenskraft, ruhig und gelassen genug, dem Sturm menschlicher Ängste zu trotzen.
    Wir beschlossen, mit dem Floß die gesamte Strecke des neuen Kanals zurückzurudern, um nach einer Spalte oder Nische oder einem Luftschacht zu suchen, die wir möglicherweise übersehen hatten. Es schien hoffnungslos, aber womöglich nicht ganz so hoffnungslos, wie mit dem Floß vor dieser ewigen Eismauer zu verweilen.
    Wir fanden die Öffnung unmittelbar vor der Biegung des Flusses nach rechts. Offenbar waren wir so damit beschäftigt gewesen, uns von den Eismauern abzustoßen und wieder in die Mittelströmung zu gelangen, dass wir den schmalen Riss in dem zerklüfteten Eis an unserer ehemaligen Steuerbordseite gar nicht bemerkt hatten. Obwohl wir gründlich suchten, hätten wir die schmale Öffnung ohne den gebündelten Strahl des Taschenlasers gar nicht sehen können: Das Licht unserer Laternen, das von Kristallfacetten und herabhängendem Eis verzerrt wurde, glitt einfach darüber hinweg. Der gesunde Menschenverstand sagte uns, dass es sich lediglich um eine von vielen Spalten im Eis handeln konnte, ein horizontales Äquivalent der vertikalen Klüfte, die ich in der Eisdecke gefunden hatte: ein Raum zum Atmen, der nirgendwo hinführte. Unser Bedürfnis nach Hoffnung ließ uns beten, dass der gesunde Menschenverstand sich irrte.
    Die Öffnung – Spalte – was auch immer – war keinen Meter breit und wurde fast zwei Meter über der Wasseroberfläche breiter. Wir ruderten näher hin und konnten im Licht des Lasers erkennen, dass die Öffnung entweder ein Ende fand oder der sich verjüngende Korridor nach rund drei Metern eine Biegung machte. Der gesunde Menschenverstand sagte uns, dass dies das Ende der Sackgasse sein musste. Wieder schenkten wir dem gesunden Menschenverstand keine Beachtung.
    Während Aenea sich auf die lange Stange stützte und versuchte, das Floß in dem reißenden Wasser an Ort und Stelle zu halten, hob A. Bettik mich hoch. Ich benutzte das Klauenende unseres Hammers als Kletterwerkzeug, schlug ihn tief in den Eisboden der schmalen Öffnung und zog mich rasch mit der Kraft der Verzweiflung nach oben. Als ich da oben erschöpft und keuchend auf Händen und Knien kauerte, kam ich wieder zu Atem, stand auf und winkte den anderen unten. Sie würden auf meinen Bericht warten.
    Der schmale Tunnel im Eis machte eine scharfe Biegung nach rechts. Ich hielt den Lichtstrahl des Taschenlasers mit wachsender Hoffnung in diesen zweiten Tunnel. Eine weitere Eiswand reflektierte den roten Strahl, aber diesmal schien es keine Biegung des Tunnels zu geben. Nein, Augenblick mal... Als ich den zweiten Korridor entlangging – geduckt, weil die Decke immer niedriger wurde –, stellte ich fest, dass der Tunnel jenseits dieses Punkts steil anstieg. Das Licht hatte auf den Boden der Eisrampe geschienen. Tiefenwahrnehmung existierte hier nicht.
    Ich zwängte mich durch den engen Raum und kroch ein Dutzend Meter auf allen vieren, wobei meine Stiefel auf dem unebenmäßigen Eis schabten.
    Ich dachte an das Geschäft in dem hallenden, menschenleeren New Jerusalem, wo ich diese Stiefel »gekauft«

Weitere Kostenlose Bücher