Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
geklettert.«
»Nicht mehr weit, bis etwas Interessantes passiert«, sagte ich. Beim Sprechen gefror der Dampf meines Atems auf meiner Jacke und den Stoppeln am Kinn.
»Etwas Interessantes«, wiederholte das Mädchen zweifelnd. Ich verstand sie. Bis jetzt war »etwas Interessantes« fast immer beinahe tödlich für uns gewesen.
Eine Stunde später hatten wir Pause gemacht, um etwas zu essen auf dem Hitzewürfel zu wärmen – den wir sorgfältig aufstellen mussten, damit er nicht durch den Eisboden schmolz, während wir unseren Eintopf wärmten
–, und ich studierte den Trägheitskompass, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie weit und hoch wir gekommen waren, als A. Bettik sagte:
»Still!«
Wir schienen alle drei minutenlang den Atem anzuhalten. Schließlich flüsterte Aenea: »Was? Ich höre nichts.«
Es war ein Wunder, dass wir uns selbst hören konnten, wenn wir brüllten, so sehr hatten wir uns die Köpfe mit behelfsmäßigen Schals und Tüchern umwickelt.
A. Bettik runzelte die Stirn und hielt einen Finger an die Lippen, damit wir schwiegen. Nach einem Augenblick flüsterte er: »Schritte. Und sie kommen in diese Richtung.«
39
Das Verhörzentrum des Heiligen Römischen Offiziums der Universellen Inquisition auf Pacem befindet sich nicht auf dem Gelände des Vatikans, sondern ist in einer großen Festung aus Stein mit Namen Castel Sant’
Angelo untergebracht, eine kreisförmige Zwingburg, die 135 n. Chr. als Hadrians Grabmal begonnen und 271 n. Chr. mit der Aurelianischen Mauer verbunden wurde, was sie zur bedeutendsten Festung Roms machte, und eines der wenigen römischen Gebäude, die zusammen mit dem Vatikan versetzt wurden, als die Kirche während der letzten Tage vor dem Ende des Planeten in dem alles verschlingenden schwarzen Loch ihre Offizien auf der Alten Erde räumte. Die Zitadelle – in Wahrheit ein kegelförmiger Monolith aus verputztem Stein – gewann zentrale Bedeutung für die Kirche im Pestjahr 597 n. Chr., als Gregor der Große an der Spitze einer Pestprozession eine Vision des Erzengels Michael auf dem Grabmal hatte.
Später bot das Castel Sant’ Angelo Päpsten Zuflucht vor dem wütenden Mob und stellte seine feuchten Zellen und Folterkammern so erlauchten Gegnern der Kirche wie Benvenuto Cellini zur Verfügung und hatte sich im Verlauf seiner nahezu dreitausendjährigen Geschichte als robust und widerstandsfähig gegen Invasionen von Barbarenhorden und atomare Explosionen erwiesen. Heute steht es wie ein grauer Berg inmitten des einzigen verbliebenen unbebauten Landstücks in dem geschäftigen Dreieck von Schnellstraßen, Gebäuden und Verwaltungszentren zwischen dem Vatikan, der Verwaltung des Pax und dem Raumhafen.
Pater Captain de Soya erscheint zwanzig Minuten vor seinem Termin um 0700 und erhält einen Anstecker, der ihn durch die schwitzenden, fensterlosen Grüfte und Flure der Festung geleiten wird. Die Fresken, die wunderschönen Möbelstücke und luftigen Loggien, welche die Päpste des Mittelalters erbauen ließen, sind längst verblasst und baufällig geworden.
Das Castel Sant’ Angelo hat wieder den Charakter einer Gruft und Festung angenommen. De Soya weiß, dass ein befestigter Durchgang vom Vatikan zu dem Kastell von der Alten Erde mitgebracht wurde und eine Aufgabe des Heiligen Offiziums in den vergangenen zwei Jahrhunderten war, das Castel Sant’ Angelo mit modernen Waffen und Verteidigungseinrichtungen zu bestücken, damit es dem Papst auch weiterhin eine sichere Zuflucht bot, sollte der interstellare Krieg Pacem erreichen.
Der Fußmarsch dauert rund zwanzig Minuten, und er muss ab und zu Kontrollstellen und Sicherheitstüren passieren, die allesamt nicht von den bunt gekleideten Polizisten der Schweizergarde des Vatikan bewacht werden, sondern von den in Schwarz und Silber gekleideten Sicherheitskräften des Heiligen Offiziums.
Die Verhörzelle selbst ist bei weitem nicht so deprimierend wie die uralten Flure und Treppen, die zu ihr führen: Zwei der drei Innenwände sind durch Fenster aus Smartglas unterbrochen, die einen sanften gelblichen Glanz verströmen; zwei Sonnenbündel leiten durch ihren Kollektor das Sonnenlicht vom dreißig Meter höher gelegenen Dach herab; in dem spartanischen Zimmer steht ein moderner Konferenztisch – de Soyas Stuhl steht dem der fünf Inquisitoren gegenüber, ist aber identisch mit ihnen, was Design und Bequemlichkeit angeht –, und an einer Wand steht ein Standardbürozentrum mit Tastaturen, Monitoren, einem
Weitere Kostenlose Bücher