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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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mit der alten: vertikale Mauern aus Eis auf beiden Seiten, Stalaktiten, die jeden Moment auf uns herabstürzen konnten, das fließende schwarze Wasser.
    »Vielleicht bleibt der Weg frei bis zum nächsten Bogen«, sagte Aenea, und die Wolke ihres Atems blieb wie ein Versprechen in der Luft hängen.
    Wir standen alle auf, als das Floß die Biegung des im Eis begrabenen Flusses umrundete. Einen Augenblick herrschte Verwirrung, als A. Bettik die Stange und ich den zertrümmerten Rest des Ruders benutzten, um uns von der Eiswand an der Backbordseite wegzubringen. Dann befanden wir uns wieder in der zentralen Strömung und beschleunigten.
    »Oh...«, sagte das Mädchen von ihrer Position am vorderen Ende des Floßes. Ihr Tonfall verriet uns alles.
    Der Fluss verlief noch einmal rund sechzig Meter geradeaus, dann wurde er schmaler und endete an einer zweiten Eismauer.
    Es war Aeneas Idee, das Komlogarmband als Kundschafter vorauszuschicken. »Es hat eine Mikrovideokamera«, sagte sie.
    »Aber wir haben keinen Monitor«, stellte ich fest. »Und es kann den Videoinput nicht zum Schiff zurückschicken...«
    Aenea schüttelte den Kopf. »Nein, aber das Komlog selbst kann sehen.
    Es kann uns sagen, was es sieht.«
    »Ja«, sagte ich, als ich schließlich begriff, »aber ist es ohne die KI des Schiffs schlau genug, um zu verstehen, was es sieht?«
    »Sollen wir es fragen?«, sagte A. Bettik, der den Armreif aus meinem Rucksack geholt hatte.
    Wir schalteten das Ding ein und fragten es. Es versicherte uns mit dieser beinahe arroganten Stimme des Schiffs, dass es durchaus imstande sei, die visuellen Daten zu verarbeiten und uns seine Analyse über den Kom-Kanal zu übermitteln. Es versicherte uns ebenfalls, dass es nicht auf dem Wasser treiben könne und nicht schwimmen gelernt habe, aber vollkommen wasserdicht sei.
    Aenea schnitt mit dem Taschenlaser ein Endstück von einem der Baumstämme ab, schlug Nägel und Nietenbolzen hinein, die den Armreif halten sollten, und fügte einen Karabinerhaken für das Kletterseil hinzu. Sie sicherte das Seil mit einem doppelten Knoten.
    »Das hätten wir schon bei der ersten Eismauer so machen sollen«, sagte ich.
    Sie lächelte. Ihre Mütze hatte einen Frostrand. An dem kurzen Schild hingen richtige Eiszapfen. »Das Armband hätte vielleicht etwas Schwierigkeiten gehabt, die Sprengladungen anzubringen«, sagte sie. Als sie es sagte, wurde mir klar, dass das Kind sehr müde war.
    »Viel Glück«, sagte ich dümmlich, als wir das Holzstück mit dem Armreif in den Fluss warfen. Das Komlog besaß genügend Anstand, nicht darauf zu antworten. Es wurde fast augenblicklich unter die Eismauer gesogen.
    Wir brachten den Hitzewürfel nach vorn und saßen um ihn herum, während A. Bettik Seil nachließ. Ich drehte die Lautstärke am Lautsprecher der Kom-Einheit höher, und keiner von uns sprach ein Wort, während das Seil aufgerollt wurde und die blecherne Stimme des Komlogs ihren Bericht abgab.
    »Zehn Meter. Über mir Ritzen, aber keine breiter als sechs Zentimeter.
    Kein Ende des Eises zu sehen.«
    »Zwanzig Meter. Immer noch Eis.«
    »Fünfzig Meter. Eis.«
    »Fünfundsiebzig Meter. Kein Ende in Sicht.«
    »Einhundert Meter. Eis.« Das Komlog war am Ende des Strangs. Wir banden unsere letzte Rolle Kletterseil an die erste.
    »Einhundertfünfzig Meter. Eis.«
    »Einhundertachtzig Meter. Eis.«
    »Zweihundert Meter. Eis.«
    Wir waren mit dem Seil und unserem Latein am Ende. Ich zog das Komlog zurück. Obwohl ich wieder Gefühl in den Händen hatte und sie einigermaßen bewegen konnte, fiel es mir schwer, das praktisch federleichte Komlog einzuziehen, so stark war die Strömung, so schwer das vereiste Seil. Wieder konnte ich mir kaum die Anstrengung vorstellen, der A. Bettik sich unterzogen hatte, um mich zu retten.
    Das Seil war so steif, dass man es kaum zusammenrollen konnte. Wir mussten das Eis von dem Komlog abklopfen, als wir es schließlich an Bord zogen. »Obwohl die Kälte meine Energieversorgung beeinträchtigt und das Eis meine visuellen Sensoren bedeckt«, zwitscherte der Armreif, »bin ich bereit, die Suche fortzuführen.«
    »Nein, danke«, sagte A. Bettik höflich, schaltete das Gerät ab und gab es mir wieder. Das Metall war so kalt, dass ich es nicht einmal mit den Socken-Fäustlingen halten konnte. Ich ließ den Reif in den vereisten Rucksack fallen.
    »Wir hätten nicht genügend Plastiksprengstoff für fünfzig Meter Eis gehabt«, sagte ich. Meine Stimme war vollkommen ruhig – sogar

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