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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zahlreichen Taschen, stabile Whipcordhosen, wie ich sie bei der Entenjagd in den Sümpfen zu tragen pflegte, weiche hohe Stiefel – ich bezeichnete sie als
    »Bukanierstiefel«, nach den Beschreibungen in Grandams Geschichten –, die nur ein klein wenig zu eng waren, und einen weichen Dreispitz als Kopfbedeckung, den ich zusammengelegt in einer Tasche verstauen konnte, wenn ich ihn nicht brauchte.
    Ich klemmte das Messer am Gürtel fest, verstaute den Kompass in einer Westentasche und stand am Fenster, wo ich die Sterne über den Berggipfeln betrachtete, bis A. Bettik um zwei Uhr fünfundvierzig kam, um mich zu wecken.
    Der alte Dichter war wach und saß in seinem Schwebstuhl am Ende des Tischs auf der obersten Etage des Turms. Flammen flackerten in den Kohlebecken an der Wand, und etwas höher an der Steinwand waren richtige Fackeln angebracht. Ein Frühstück war aufgetischt worden –
    Dörrfleisch, Obst, Pfannkuchen mit Sirup, frisches Brot –, aber ich trank nur eine Tasse Kaffee.
    »Du solltest etwas essen«, knurrte der alte Mann. »Du weißt nicht, wann du deine nächste Mahlzeit bekommst.«
    Ich stand da und betrachtete ihn. Dampf aus der Kaffeetasse stieg auf und wärmte mir das Gesicht. Es war kalt. »Wenn alles nach Plan verläuft, werde ich in weniger als sechs Stunden in dem Raumschiff sein. Dann werde ich etwas essen.«
    Martin Silenus gab ein ungebührliches Geräusch von sich. »Wann verläuft jemals etwas nach Plan, Raul Endymion?«
    Ich trank Kaffee. »Da wir gerade von Plänen sprechen, Sie wollten mir von dem Wunder erzählen, das die Schweizergarde ablenken soll, während ich Ihre kleine Freundin wegbringe.«
    Der uralte Dichter sah mich einen Moment an. »Vertrau mir einfach, was das betrifft, ja?«
    Ich seufzte. Ich hatte befürchtet, dass er das sagen würde. »Das erfordert eine Menge Vertrauen, alter Mann.«
    Er nickte, sagte aber nichts mehr.
    »Nun gut«, sagte ich schließlich. »Wir werden sehen, was passiert.« Ich drehte mich zu A. Bettik um, der in der Nähe der Treppe stand. »Vergessen Sie nur nicht, mit dem Schiff da zu sein, wenn wir Sie brauchen.«
    »Ich werde es nicht vergessen, Sir«, sagte der Androide.
    Ich ging zu der Hawking-Matte, die auf dem Boden lag. A. Bettik hatte meinen Rucksack darauf gestellt. »Letzte Anweisungen?«, fragte ich, ohne zu wissen, an welche der beiden Personen ich mich wandte.
    Der alte Mann schwebte auf seinem Stuhl näher. Im Licht der Fackeln wirkte er vorzeitlich: vertrockneter und mumifizierter denn je. Seine Finger glichen gelblichen Knochen. »Nur das«, krächzte er. »Hör zu –

    Es lebt ein Elender verlor‘n in weiten Meeren,
    Sein Leiden soll eintausend Jahre währen
    Und sein geschwächter Leib hinschwinden
    Und dann alleine sterben. Wer könnte finden
    Zu Widerstand den Mut? Niemand. Nun gut,
    Drum muss Millionen Mal Ebbe und Flut
    Die Meere schwellen. Doch soll er nicht sterben,
    Wagt er’s, um einen hohen Preis zu werben.
    Versucht er in des Zaubers tiefsten Gründen
    Der Töne und Bewegung Sinn zu finden,
    Erforscht er der Substanzen und der Formen
    Symbolische Essenz und ihre Normen:
    Soll er nicht sterben. Mehr, er sei bereit
    Zu einem frommen Werk voll Freud und Leid.
    All die Verliebten, die der Sturm vertrieben
    Und die im wilden Wogentanz geblieben,
    Soll er zusammenbetten, bis sich wendet
    Die Zeit und ihren düstren Weg vollendet.
    Und ist sein Werk dann reif und ganz vollbracht,
    Dann wird ein Jüngling, der von Himmelsmacht
    Geleitet und geliebt wird, vor ihm stehen.
    Den lehre er, wie alles wird geschehen.
    Schafft er das nicht, sind beide schon verloren.«

    »Was?«, sagte ich. »Ich verstehe...«
    »Scheiß drauf«, krächzte der Dichter. »Hol einfach Aenea, schaff sie zu den Ousters, und bring sie lebend wieder zurück. Selbst ein Schafhirte sollte das schaffen können.«
    »Vergessen Sie nicht Landschaftskünstlerlehrling, Barkeeper und Entenjäger«, sagte ich und stellte meine Kaffeetasse hin.
    »Es ist fast drei«, sagte Silenus. »Du musst gehen.«
    Ich holte Luft. »Nur noch einen Moment«, sagte ich. Ich ging polternd die Treppe hinunter, betrat den Waschraum, erleichterte mich und lehnte mich einen Augenblick an die kühle Fliesenwand. Bist du verrückt, Raul Endymion? Es war mein Gedanke, aber ich hörte ihn mit Grandams sanfter Stimme. Ja, antwortete ich.
    Ich ging die Treppe hinauf und staunte, wie wackelig ich auf den Beinen war und wie stark mein Herz klopfte.
    »Alles klar«, sagte ich. »Mutter

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