Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Labyrinthe durchzogen diese neun Welten – Hyperion eingeschlossen – und dienten keinem bekannten Zweck.
Sie waren Zehntausende von Jahren, bevor die Menschheit die Alte Erde verlassen hatte, gegraben worden, aber man hatte nie einen Hinweis auf die Erbauer finden können. Die Labyrinthe hatten zahllose Mythen begründet –
einschließlich der Cantos –, aber ihr Geheimnis blieb ungelüftet. Das Labyrinth von Hyperion war nie kartografiert worden – ausgenommen der Teil, durch den ich mit zweihundertsiebzig Klicks pro Stunde rasen sollte.
Ein verrückter Dichter hatte es kartografiert. Hoffte ich jedenfalls.
Ich setzte die Nachtbrille wieder auf, als das Sonnenlicht hinter mir verschwand. Ich spürte, wie meine Haut im Nacken kribbelte, als die Dunkelheit mich einhüllte. Bald würde die Brille nutzlos sein, weil es kein Licht zum Verstärken mehr geben würde. Ich nahm Klebeband aus meinem Rucksack, befestigte die Lasertaschenlampe an der Vorderseite der Hawking-Matte und stellte den Strahl auf größtmögliche Streuung ein. Das Licht würde schwach sein, aber das Fernglas würde es verstärken. Ich konnte bereits die ersten Gabelungen vor mir erkennen – die Höhle blieb ein großes, hohles, rechteckiges Prisma, dreißig Meter an einer Seite, mit unerheblichen Spuren von Rissen oder Einbrüchen –, und voraus verzweigten sich die Tunnel nach rechts, nach links und abwärts.
Ich holte tief Luft und tippte die programmierte Sequenz ein. Die Hawking-Matte schoss vorwärts und beschleunigte auf die vorgegebene Geschwindigkeit, und ich musste mich trotz der kompensierenden Wirkung des Sperrfelds weit zurücklehnen.Dieses Feld würde mich nicht beschützen, wenn der Teppich falsch abbog und bei dieser Geschwindigkeit gegen einen Felsen prallte. Gestein sauste an mir vorbei. Die Hawking-Matte kippte scharf in eine Rechtskurve, richtete sich in der Mitte der langen Höhle wieder aus und folgte im Sturzflug einem abwärts führenden Tunnel.
Es war ein Grauen erregender Anblick. Ich nahm die Nachtsichtbrille ab, verstaute sie sicher in meiner Tasche, hielt mich am Rand der schwankenden, schlingernden Matte fest und machte die Augen zu. Die Mühe hätte ich mir sparen können. Inzwischen war die Dunkelheit undurchdringlich.
13
Fünfzehn Minuten bevor die Sphinx sich öffnen würde, stapft Pater Captain de Soya über den Talboden. Der Sturm ist längst angekommen, Sand wirbelt als kratzender Blizzard durch die Luft.
Hunderte Schweizergardisten sind hier auf dem Talboden versammelt, aber ihre gepanzerten CTVs, ihre Geschützstellungen, ihre Raketenabschussrampen und ihre Beobachtungsposten sind in dem Sandsturm nicht zu sehen. Doch de Soya weiß, dass sie so oder so unsichtbar wären, hinter Tarnfeldern und Chamäleonpolymeren verborgen. Der Priester-Captain muss sich auf seine Infrarotanzeige verlassen, wenn er in diesem heulenden Sturm überhaupt etwas erkennen will. Und selbst mit heruntergeklapptem und versiegeltem Visier dringen feinste Sandkörnchen in den Kragen seines Kampfanzugs ein und werden ihm in den Mund geweht. Dieser Tag schmeckt nach Staub. Sein Schweiß hinterlässt dünne Spuren rötlichen Schlamms wie Blut von irgendwelchen heiligen Stigmata auf seiner Stirn und den Wangen.
»Achtung«, sagt er über den allgemeinen Kanal. »Hier spricht Pater Captain de Soya, gemäß Weisung des Papstes Befehlshaber dieser Mission.
Kommandantin Barnes-Avne wird diese Befehle gleich wiederholen, aber im Augenblick möchte ich noch einmal klarstellen, dass nichts unternommen wird, keine Verteidigungsmaßnahmen eingeleitet werden, die in irgendeiner Weise das Leben des Kindes gefährden könnten, das in...
dreizehneinhalb Minuten aus einem dieser Gräber kommen wird. Ich möchte, dass jeder Pax-Offizier und Soldat das beherzigt, jeder Kriegsschiffkapitän und Raummatrose, jeder Pilot und Luftwaffenoffizier... dieses Kind muss unverletzt gefangen genommen werden. Nichtbeachtung dieser Direktive wird mit Kriegsgericht und standrechtlicher Erschießung geahndet. Mögen wir alle an diesem Tag unserem Herrn und unserer Kirche dienen... Im Namen von Jesus, Maria und Joseph bete ich darum, dass unsere Bemühungen erfolgreich sein werden. Pater Captain de Soya, ausführender Befehlshaber der Hyperion-Expedition. Ende.«
Er geht weiter, während ein Chor von »Amens« über die taktischen Kanäle hereinkommt. Plötzlich bleibt er stehen. »Kommandantin?«
»Ja, Pater Captain.« Barnes-Avnes gelassene Stimme
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