Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Gelächter und Freundschaft suchen, aber keinen blassen Schatten der Liebe, die ich empfunden hatte. Keine Kinder. Nein.
Während ich den Text schrieb, redete ich mir ein paar wunderbare Tage lang ein, dass Aenea von den Toten zurückgekehrt war – dass eine Art Wunder möglich gewesen war. Ich war gerade bei dem Teil meiner Geschichte angelangt, als wir die Alte Erde erreichten – als wir nach der schrecklichen Begegnung mit dem ersten Nemes-Ding den Farcaster auf God’s Grove passierten –, und hatte den Abschnitt mit einer Schilderung unserer Ankunft in Taliesin West beendet.
In jener Nacht, als ich den ersten Teil unserer Geschichte beendet hatte, da hatte ich geträumt, dass Aenea zu mir gekommen war – in die Schrödinger-Todeszelle –, meinen Namen in der Dunkelheit gerufen, meine Wange gestreichelt und mir zugeflüstert hatte: »Wir gehen hier weg, Raul, mein Liebling. Nicht bald, aber sobald du unsere Geschichte beendet hast.
Sobald du dich an alles erinnerst und alles verstehst.« Als ich erwachte, stellte ich fest, dass der Textschiefer aktiviert worden war und sich auf seinen Seiten eine lange Nachricht in der unverkennbaren Handschrift Aeneas befand, einschließlich einiger Auszüge aus den Gedichten ihres Vaters.
Tage – Wochen – war ich überzeugt, dass es ein echter Besuch gewesen war, ein Wunder der Art, wie es den späteren Aposteln zufolge den ursprünglichen Jüngern nach der Hinrichtung von Jesus Christus zuteil geworden war –, und ich hatte fieberhaft an der Niederschrift gearbeitet, weil ich mich verzweifelt bemühte, alles zu sehen, alles aufzuzeichnen, alles zu verstehen. Aber das kostete mich weitere Monate, in deren Verlauf mir klar wurde, dass der Besuch von Aenea etwas gänzlich anderes gewesen sein musste – dass ich mit ziemlicher Sicherheit zum ersten Mal ihr Flüstern unter den Stimmen der Toten in der Leere gehört hatte und möglicherweise eine echte Nachricht von ihr im Gedächtnis des Textschiefers gespeichert gewesen war, die abgerufen wurde, als ich diese Seiten schrieb. Unmöglich war das nicht. Es stand zweifelsfrei fest, dass es meiner Liebsten möglich gewesen war, Blicke in die Zukunft zu werfen – Zukünfte, hatte sie stets gesagt und größten Wert auf den Plural gelegt. Es wäre ihr durchaus möglich gewesen, diese wunderbare Nachricht in einem Textschiefer zu speichern und irgendwie dafür zu sorgen, dass das Instrument zur Ausstattung der Zelle meiner Schrödinger-Katzenkiste gehörte.
Oder – und das ist die Erklärung, die ich schließlich akzeptiert habe – ich habe die Nachricht selbst geschrieben, als ich vollkommen in Aeneas Persönlichkeit versunken war, auch wenn »besessen« das zutreffendere Wort sein mag, während ich ihre Essenz in der Leere und meinen eigenen Erinnerungen suchte. Diese Theorie ist für mich die am wenigsten erfreuliche, aber sie entspricht Aeneas Ansicht über das Leben nach dem Tod, die mehr oder weniger auf der jüdischen Tradition beruht, wonach die Menschen nach ihrem Tod lediglich in den Herzen und Erinnerungen derer weiterleben, die sie geliebt, denen sie gedient, die sie gerettet haben.
Jedenfalls schrieb ich weitere Monate, sah allmählich das wahre Ausmaß – und die Vergeblichkeit – von Aeneas tapferer Suche und ihrem hoffnungslosen Opfer, und dann beendete ich mein hektisches Schreiben, fand den Mut, Aeneas schrecklichen Tod und meine eigene Hilflosigkeit, als sie starb, zu beschreiben, weinte, als ich die letzten paar Seiten Mikropergament ausdruckte, sie las, wieder aufbereitete, dem Textschiefer befahl, die gesamte Erzählung in seinem Speicher zu behalten, und den Stift, wie ich annahm, zum letzten Mal weglegte.
Aenea erschien nicht. Sie führte mich nicht aus der Gefangenschaft. Sie war tot. Ich spürte ihre Abwesenheit im Universum so deutlich, wie ich seit meiner Kommunion jede Resonanz in der Bindenden Leere gespürt hatte.
Und so lag ich in meiner Schrödinger-Katzenkiste, versuchte zu schlafen, vergaß zu essen und wartete auf den Tod.
Einige meiner Erkundungen unter den Stimmen der Toten hatten zu Enthüllungen geführt, die keine unmittelbare Relevanz für meine Geschichte hatten. Einige waren persönlich und privat – zum Beispiel Wachträume von meinem längst verstorbenen Vater, der mit seinen Brüdern auf die Jagd ging, und einen Einblick in die Großzügigkeit dieses ruhigen Mannes, den ich nie kennen gelernt hatte, oder Chroniken menschlicher Grausamkeit, die, wie die Erinnerungen
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