Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
hatte, und in diesem Sinne wurde seine Bereitwilligkeit, zu folgen, ohne Fragen zu stellen, häufig dadurch ausgeglichen, dass er jederzeit bereit war, sein Leben für das seiner teuren Freundin hinzugeben.
Obwohl ich ohne jeden Zweifel weiß, dass Aenea tot ist, habe ich ihre Stimme niemals in dem Chor derer gesucht, die die Sprache der Toten sprechen. Vielmehr spürte ich ihre Anwesenheit durch die gesamte Bindende Leere, spürte ihre Berührung in den Gedanken und Herzen aller guten Menschen, die durch unsere Odyssee wanderten oder deren Leben durch unseren langen Kampf gegen den Pax für immer verändert worden waren. Als ich lernte, den einförmigen Lärm zu drosseln und einzelne Stimmen aus dem Chor der Toten herauszuhören, wurde mir klar, dass ich mir die menschlichen Resonanzen in der Leere häufig als Sterne vorstellte – manche schwach, aber sichtbar, wenn man wusste, wohin man schauen musste, andere leuchtend wie Supernovae, wieder andere, die als Doppelgestirn mit anderen einst lebenden Seelen existierten oder für alle Zeiten zu Sternbildern der Liebe und Beziehungen mit bestimmten Individuen angeordnet waren; andere – wie Mustafa und Lourdusamy und Hoyt – waren förmlich ausgebrannt und implodiert durch die schreckliche Schwerkraft ihrer Ambitionen oder Habgier oder Machtgier, ihre menschliche Strahlung so gut wie erloschen, als sie in schwarze Löcher der Seele kollabiert waren.
Aber Aenea war keiner dieser Sterne. Sie war wie das Sonnenlicht, das uns bei einem Spaziergang an einem warmen Frühlingstag auf den Wiesen über Taliesin West umgeben hatte – konstant, diffus, aus einer einzigen Quelle, und doch wärmte es alles und jeden um uns herum, eine Quelle von Leben und Energie. Und wie wenn der Winter kommt oder die Nacht hereinbricht, bringt die Abwesenheit dieses Sonnenlichts Kälte und Dunkelheit, und wir warten auf den Frühling oder den Morgen.
Aber ich wusste, für Aenea würde es kein Morgen mehr geben, keine Auferstehung für sie und unsere Liebe. Die große Macht ihrer Botschaft ist, dass die Pax-Version der Auferstehung eine Lüge war – so steril wie die Injektionen zur Geburtenkontrolle, die der Pax verordnete. In einem endlichen Universum potenzieller Unsterblicher ist fast kein Platz für Kinder. Das Universum des Pax war geordnet und statisch, unveränderlich und steril. Kinder bringen Chaos und Durcheinander und ein grenzenloses Potenzial für die Zukunft, was dem Pax ein Gräuel war.
Als ich über das alles grübelte und an Aeneas letztes Geschenk für mich dachte – das Gegenmittel zum Geburtenkontrollimplantat des Pax in mir –, fragte ich mich, ob es in erster Linie eine metaphorische Geste gewesen war. Ich hoffte nicht, dass Aenea gemeint hatte, ich sollte es wörtlich nehmen; mir eine andere Liebe suchen, eine Frau, und Kinder mit jemand anderem haben. In einem unserer zahlreichen Gespräche hatten wir uns kurz über dieses Thema unterhalten – ich erinnere mich daran, dass es stattfand, als wir im Vestibül ihrer Unterkunft in Taliesin West saßen und der Abendwind den Duft von Yucca und Schlüsselblumen zu uns wehte –, über die seltsame Elastizität des Herzens, wenn es darum ging, neue Beziehungen zu finden, neue Menschen, mit denen man sein Leben teilen konnte, neue Möglichkeiten. Ich hoffte jedenfalls, dass Aeneas Geschenk der Fruchtbarkeit in unseren letzten gemeinsamen Minuten im Petersdom tatsächlich eine Metapher für das größere Geschenk war, das sie der Menschheit schon gegeben hatte, die Möglichkeit für Chaos und Durcheinander und wunderbare, unsichtbare Alternativen. Wenn es eine wortwörtliche Gabe war, die Aufforderung, eine neue Liebe zu finden und mit ihr Kinder zu haben, dann hatte Aenea mich überhaupt nicht gekannt.
Als ich diese Erzählung niederschrieb, hatte ich nur zu gut durch die Augen zahlreicher anderer gesehen, dass Raul Endymion ein durchaus liebenswerter Bursche war, vertrauenswürdig, gelegentlich auf linkische Weise heldenhaft, aber nicht eben für Einsicht oder Intelligenz bekannt.
Aber ich war klug genug und einsichtig genug – jedenfalls was meine eigene Seele betraf –, um mit Sicherheit zu wissen, dass diese eine Liebe für mein ganzes Leben reichte, und mir wurde klar – als Tage und Wochen und dann mit Sicherheit Monate in meiner Todeszelle vergingen, ohne dass der Tod mich besuchen kam –, sollte ich je wieder auf wundersame Weise in das Universum der Lebenden zurückkehren, würde ich wieder Freude und
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