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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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du morgen nicht von der Jagd zurückkehrst?«, fragte er leise.
    Der Konsul, der aus seinem Nachdenken gerissen wurde, lächelte. »Dann gehört das Schiff dir, was ohnehin schon eindeutig der Fall ist.« Er zog den Läufer zurück. »Was wirst du tun, John, wenn dies das Ende unserer gemeinsamen Reisen sein sollte?«
    John bedeutete genauso rasch, wie er antwortete, dass sein Turm vorwärts ziehen sollte. »Es nach Hyperion zurückbringen«, sagte er. »Es so programmieren, dass es zu Brawne zurückkehrt, wenn alles in Ordnung ist.
    Oder zu Martin Silenus, wenn der alte Mann noch lebt und an seinen Cantos arbeitet.«
    »Es programmieren?«, sagte der Konsul und betrachtete stirnrunzelnd das Schachbrett. »Du meinst, du würdest die KI des Schiffs verlassen?« Er schob den Läufer diagonal ein Feld weiter.
    »Ja«, sagte John und bedeutete, dass sein Bauer weiterziehen sollte. »Das werde ich in den nächsten Tagen sowieso tun.«
    Der Konsul betrachtete das Schachbrett, dann das Hologramm vor ihm, dann wieder das Schachbrett. »Wohin wirst du gehen?«, fragte er und zog seine Dame, um seinen König zu schützen.
    »Zurück in den Core«, sagte John und ließ den Turm zwei Felder weiter ziehen.
    »Um wieder deinen Schöpfer herauszufordern?«, fragte der Konsul und griff wieder mit dem Läufer an.
    John schüttelte den Kopf. Er hielt sich sehr gerade und hatte die Angewohnheit, die Locken mit einer anmutigen Kopfbewegung aus der Stirn zu werfen. »Nein«, sagte er leise, »um den Wesenheiten des Core die Hölle heiß zu machen. Um ihre endlosen Bürgerkriege anzustacheln und mörderischen Rivalitäten zu fördern. Um das zu sein, was mein Templat für die Dichtergemeinschaft gewesen war – ein Ärgernis.« Er zeigte, wohin er seinen verbliebenen Springer haben wollte.
    Der Konsul dachte über diesen Zug nach, wertete ihn nicht als Bedrohung und sah stirnrunzelnd seinen Läufer an. »Aus welchem Grund?«, fragte er schließlich.
    John lächelte wieder und zeigte auf das Feld, wo sein Turm platziert werden sollte. »Meine Tochter wird in ein paar Jahren Hilfe brauchen«, sagte er. Er kicherte. »Nun, um präziser zu sein, in zweihundertsiebzig Jahren und ein paar zerquetschten. Schachmatt.«
    »Was?«, sagte der Konsul überrascht und studierte das Brett. »Das kann nicht sein...«
    John wartete.
    »Verdammt«, sagte der Konsul der Hegemonie schließlich und legte seinen König um. »Gottverdammt, verflixt und zugenäht.«
    »Ja«, sagte John und streckte die Hand aus. »Erneut meinen Dank für ein interessantes Spiel. Und ich hoffe wirklich, die morgige Jagd wird angenehmer für Sie laufen.«
    »Verdammt«, sagte der Konsul und versuchte, ohne nachzudenken, dem Hologramm die Hand mit den dünnen Fingern zu schütteln. Zum hundertsten Mal glitten seine soliden Finger durch die substanzlose Handfläche des anderen. »Verdammt«, sagte er wieder.
    In dieser Nacht erwachte ich in der Schrödinger-Zelle, und zwei Worte hallten in meinem Kopf: »Das Kind!«
    Das Wissen, dass Aenea verheiratet gewesen war, bevor wir ein regelrechtes Liebespaar wurden, das Wissen, dass sie ein Kind zur Welt gebracht hatte, brannte in meinem Innersten wie ein Stück glühende Kohle, aber abgesehen von meiner fast zwanghaften Neugier, mit wem und warum
    – eine Neugier, die meine Gespräche mit A. Bettik, Rachel und anderen, die sie während ihrer gemeinsamen Odyssee hatten Abschied nehmen sehen, ohne selbst zu wissen, wohin sie gegangen war und mit wem, nicht befriedigt hatten –, hatte ich nie daran gedacht, dass dieses Kind irgendwo im selben Universum existieren könnte, das ich bewohnte. Ihr Kind. Bei dem Gedanken war mir aus verschiedenen Gründen zum Weinen zumute.
    »Das Kind ist nirgends, wo ich es jetzt finden könnte«, hatte Aenea gesagt.
    Wo mochte dieses Kind jetzt sein? Wie alt? Ich saß auf meiner Pritsche in der Schrödinger-Katzenkiste und dachte darüber nach. Aenea war gerade dreiundzwanzig Standardjahre alt geworden, als sie starb... ich korrigiere: als sie vom Core und seinen Marionetten des Pax brutal ermordet worden war. Sie war ein Jahr, elf Monate, eine Woche und sechs Stunden verschwunden, als sie gerade zwanzig geworden war... plus die Zeit, die ich hier in dem eiförmigen Schrödinger-Hinrichtungsgehäuse verbracht hatte...
    acht Monate? Zehn? Ich wusste es wirklich nicht, aber wenn das Kind noch am Leben war, musste er oder sie... mein Gott, ich hatte Aenea nie gefragt, ob ihr Baby ein Junge oder ein Mädchen

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