Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
ich eingeschlafen war. In meiner Hochschwerkraftkrippe gefangen, Millionen Kilometer entfernt und kurz vor dem Spinup zu C-plus und dem Vergessen der Fuge, schrie und tobte ich in der Stille.
    Albedo trat an das Gitter und sagte zu meiner teuren Freundin: »Du solltest von alldem fort’casten. Du solltest zu dem Schiff ‘casten, das Raul in den sicheren Tod bringt, und ihn befreien. Du solltest zum Schiff des Konsuls ‘casten. Der Autochirurg dort wird dich heilen. Du wirst Jahre mit dem Mann leben, den du liebst. Entweder das oder ein langsamer, qualvoller Tod für dich hier und ein langsamer, qualvoller Tod für Raul anderswo. Du wirst ihn nie wieder sehen. Nie wieder seine Stimme hören.
    Du musst fort’casten, Aenea. Rette dich, so lange noch Zeit ist. Rette den, den du liebst. In einer Minute wird dir dieser Mann das Fleisch von Armen und Beinen brennen, bis deine Knochen schwarz werden. Aber wir werden dich nicht sterben lassen. Ich werde Nemes loslassen, damit sie dich auffrisst. ‘Caste fort, Aenea. ‘Caste jetzt fort.«
    »Aenea«, sagte Kardinal Lourdusamy, »es igitur paratus?« Bist du also bereit?
    »In nomine Humanitatis, ego paratus sum«, sagte Aenea und sah dem Kardinal mit ihrem guten Auge in die Augen. Im Namen der Humanitas, ich bin bereit.
    Kardinal Lourdusamy winkte mit der Hand. Sämtliche Gasdüsen loderten auf einmal hoch. Flammen hüllten meine Liebste und den Albedo-Cybrid ein.
    Aenea bäumte sich vor Schmerzen auf, als die Flammen sie verschlangen.
    »Nein!«, schrie Albedo aus den Flammen und lief von dem brennenden Gitter weg, während ihm das synthetische Fleisch von den falschen Knochen brannte. Seine teure graue Kleidung stob in brennenden Stoffetzen zur Decke empor, seine hübschen Gesichtszüge zerflossen schmelzend auf seine Brust. »Nein, verdammt!«, schrie er und streckte brennende Finger nach Lourdusamys Hals aus.
    Albedos Hände gingen durch das Hologramm. Der Kardinal betrachtete Aeneas Gesicht durch die Flammen. Er hob die rechte Hand. »Misericordiam Dei...in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti.«
    Das waren die letzten Worte, die Aenea hörte, bevor die Flammen ihre Ohren und den Hals und das Gesicht einhüllten. Ihre Haare explodierten in Flammen. Ihr Gesichtsfeld wurde grellorange und erlosch, als die Flammen ihre Augen verzehrten.
    Aber ich spürte ihre Schmerzen in den Sekunden des Lebens, die ihr noch blieben. Und ich hörte ihre Gedanken wie einen Schrei – nein, wie ein Flüstern in meinem Kopf.
    Raul, ich liebe dich.
    Dann nahm die Hitze zu, nahmen die Schmerzen zu, ihr Gefühl für das Leben und die Liebe und ihre Mission wuchs und stieg durch die Flammen empor wie Rauch, der zu dem unsichtbaren Oberlicht aufstieg, und mein Liebling Aenea starb.
    Ich spürte den Augenblick ihres Todes wie eine Implosion von Sehen und Klang und symbolischer Essenz. Alles im Universum, wofür es sich zu lieben und zu leben lohnte, verschwand in diesem Augenblick.
    Ich schrie nicht mehr. Ich hämmerte nicht mehr gegen die Wände meines Hochschwerkrafttanks. Ich schwebte in der Schwerelosigkeit, spürte den Tank leer laufen, spürte Drogen und Kanülen der kryogenischen Fuge in mich eindringen wie Würmer in mein Fleisch. Ich wehrte mich nicht dagegen. Es war mir gleichgültig.
    Aenea war tot.
    Das Kriegsschiff ging in den Quantenzustand über. Als ich erwachte, befand ich mich in der Todeszelle der Schrödinger-Katzenkiste.
    Das spielte keine Rolle. Aenea war tot.

32

    Ich hatte weder eine Uhr noch einen Kalender in meiner Zelle. Ich weiß nicht, wie viele Standardtage, Wochen oder Monate ich dem Wahnsinn verfallen war. Ich könnte viele Tage ohne Schlaf hinter mich gebracht oder wochenlang ununterbrochen geschlafen haben. Es ist schwer oder unmöglich zu sagen.
    Aber mit der Zeit, als Cyanid und die Gesetze der Quantenphysik mich Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute verschonten, begann ich diese Niederschrift. Ich weiß nicht, warum meine Richter mir einen Textschiefer und Stift und die Möglichkeit gaben, ein paar Seiten wieder aufbereitetes Mikropergament auszudrucken. Vielleicht hielten sie es für denkbar, dass der Verurteilte sein Geständnis abfassen oder das Schreibwerkzeug zu dem hilflosen Versuch benutzen würde, gegen seine Richter und Häscher zu wüten. Vielleicht betrachteten sie es auch als zusätzliche Strafe, dass der Verurteilte über seine Sünden und Verbrechen, seine Freuden und Leiden schreiben konnte. Was in gewisser Weise

Weitere Kostenlose Bücher