Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Mauern des Fundaments kaum auf.
Blakes Herz klopfte wild, die ganze Bibliothek schien plötzlich zu beben. Aufgeregt flatterte das Buch in seinen Händen, als wolle es sich der Tür entgegenwerfen.
Blake wischte die Spinnweben weg, die wie Zuckerwatte an seiner Hand kleben blieben, und machte den Weg frei.
Zum Vorschein kam ein steinernes Portal, von einem bröckelnden Zackenkranz umgeben, ganz ähnlich wie am Eingang der Alten Bibliothek von St. Jerome's. Staunend und sprachlos stand er davor. Die Tür - es war mehr der Geist einer Tür - war schon halb im Boden versunken.
Duck zerrte an seinem Ärmel.
»Ich mag das nicht«, sagte sie mit piepsiger Stimme. »Ich finde, wir sollten lieber nicht weitergehen.«
Blake hatte die Hand schon an der Tür, mehr von Endymion Spring getrieben als von seinem eigenen Mut. »Hab keine Angst. Endymion Spring ist doch bei uns«, sagte er und bemühte sich, mutig und zuversichtlich zu klingen. Mit zitternden Fingern drehte er den altersschwachen Griff, der sich mit einem spröden, knochentrockenen Klicken bewegte. Ganz langsam öffnete sich die Tür.
Ein Schwall übel riechender Luft empfing ihn, was ihm augenblicklich wieder die Gänsehaut über den Rücken jagte. Der Raum hinter der Tür verströmte einen feuchtkalten, erdigen Kellergeruch, der ihm die Nasenlöcher verstopfte.
Unsicher blinzelte er in die Leere.
Eine Wendeltreppe schraubte sich steil in die Dunkelheit hinab. Doch mehr als zwei, drei steinerne, von Moosflecken übersäte Stufen konnte er nicht erkennen.
Am liebsten wäre er weggelaufen, aber das Buch zog ihn unwiderstehlich weiter in die Düsternis. Sein Silberschimmer war in der drückenden Finsternis zu schwach. Blake brauchte mehr Licht.
Da fiel ihm etwas ein.
Er klopfte die Vorderseite seiner Jacke ab und fand schnell, was er suchte: seine Taschenlampe. Nach dem Vorfall in der Bibliothek er vergessen, sie aus der Jacke zu nehmen.
Er grinste und zog sie aus der Tasche. Nun hatte er Mühe, beides gleichzeitig zu halten, das Buch und die Lampe. Ducks Gesicht neben ihm war bleich wie der Mond.
Er drehte sich wieder nach dem Kellerloch um und folgte mit Blicken dem dünnen Lichtstrahl, der über die alten Stufen fiel. Aber auch jetzt war das untere Ende nicht zu sehen.
»Schon wieder so eine Wendeltreppe«, murmelte er. Duck hatte sich an seinen Ellbogen gehängt, ihre Augen waren feucht.
Schaudernd tastete er mit dem Fuß nach der ersten Stufe. Es war, als steige er in einen mondbeschienenen Tümpel — und dann stand er auch schon bis zu den Hüften in der Dunkelheit wie in kaltem Wasser.
»Nein!«, schrie Duck auf. »Ich will da nicht runter. Das ist nicht mehr lustig.«
Sie klammerte sich so fest an ihn, dass sie ihn in die Haut zwickte.
»Komm schon«, brummte er. »Wir müssenl«
Das Buch zog ihn in die Tiefe, zerrte an ihm wie ein Gewicht. Er sank geradezu der Dunkelheit entgegen.
»Es ist okay«, versuchte er sie zu beruhigen. »Ich beschütze dich.«
Seine Stimme klang brüchig, es war schwer, die Furcht, die ihm in der Kehle kratzte, zurückzudrängen. Er streckte den Arm aus und wollte ihr beim Abstieg helfen, aber sie riss ihre schweißnasse Hand zurück.
»Nein! Ich will nicht«, rief sie noch einmal und trat zurück. Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Sieh mal«, sagte er. »Mir gefällt das genauso wenig wie dir, aber uns bleibt nichts anderes übrig. Das Letzte Buch ist ganz in der Nähe - ich spüre es. Es will, dass wir es finden.«
»Ich hab Angst.«
»Ich weiß, ich doch auch«, gab er zu. »Aber ich schwöre, dass ich nicht zulassen werde, dass dir was passiert.« Die Dunkelheit kroch ihm an den Beinen hinauf, die Kälte drang ihm bis in die Knochen. Seine Zähne klapperten. Sie mussten sich in Bewegung halten. »Solange wir zusammenbleiben, kann uns nichts passieren.«
Ducks Unterlippe zitterte, aber schließlich nickte sie. Zögernd tastete sie sich an das Kellerloch heran und setzte den Fuß auf die erste Stufe, furchtsam wie ein kleines Kind, das die Zehen in einen Pool streckt. Dann klammerte sie sich so fest an Blakes Kapuze, dass sie ihm fast die Luft abschnürte.
So stiegen sie gemeinsam in die Dunkelheit.
Vierundzwanzig
ie Treppe führte steil und in engen Windungen in die Tiefe und endete schließlich auf einem unebenen Lehmboden. Es roch nach feuchtem Moos. Einen Augenblick lang kam es Blake so vor, als seien sie auf einen alten Kirchhof geraten, einen Reliquienraum für tote oder
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