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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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Oxford-Schals und Oxford-Teddybären. Scharen von Touristen schoben sich, geleitet von Fremdenführern mit knallbunten Schirmen, von einem Laden zum anderen.
    Obwohl sich Blake inzwischen einigermaßen in der Stadt auskannte, kam er sich immer noch wie ein Fremder vor. Durch seinen Akzent fiel er auf wie eine fremde Flagge. Trotzdem lernte er das Leben in Oxford allmählich schätzen. Im Inneren jedes der gelblich braunen College-Komplexe lag eine vergessene Welt aus Bibliotheken, Kapellen und Speisesälen. Es war, als ginge man in der Zeit zurück. Ständig erwartete Blake, er könnte Menschen begegnen wie denen auf den Gemälden: Gelehrte mit gepuderten Perücken, in Seidenstrümpfen und dunklen Talaren, die alle aussahen wie Kreuzritter aus längst vergangenen Zeiten.
    Unvermittelt blieb seine Mutter stehen. Sie starrte ins Schaufenster eines Buch-Antiquariats, in dem feine Lederbände lagen, aber auch Romane mit eingerissenen Schutzumschlägen. Bevor er sie zurückhalten konnte, war sie hineingegangen. Er solle bitte auf Duck aufpassen, sie müsse nur kurz nach einem Buch ... »Dauert nur einen Augenblick«, rief sie noch über die Schulter, dann fiel unter dem Gebimmel der Ladenglocke die Tür hinter ihr zu.
    Blake rollte die Augen. Dasselbe hatte er heute schon mal gehört.
    Missmutig trabte er hinüber zum Randstein, hielt sich mit einer Hand an einem altertümlichen Laternenpfahl fest und schwang sich rundherum, schneller und immer schneller, bis die Stadt wie ein wehender Schleier um ihn herumwirbelte.
    Es tat gut, im Freien zu sein. In den vergangenen Wochen hatte er aus den trüben Höhen der Doppeldecker-Busse meistens nichts als graubraune Museen und durchnässte Statuen zu Gesicht bekommen. An diesem Nachmittag aber sprudelte die Stadt über vor Leben: College-Gebäude leuchteten unter einem azurblauen Himmel, und um die Türme kreisten Tauben auf sirrenden Schwingen. Überall in der Stadt zeigten Uhren mit goldenen Zifferblättern die verschiedensten Zeiten an.
    Und dann sah er ihn.
    Der Mann saß in der Nähe der Buchhandlung und las in einem alten, zerfledderten Buch, so sah es jedenfalls aus. Blake verlangsamte seine Drehungen und kam schließlich ganz zum Stillstand.
    Der Fremde trug ein braunes Ledergewand und hatte einen altertümlichen langen dünnen Bart. Trotz der Wärme hatte er einen seltsamen Hut auf dem Kopf, der wie eine Art Nachtmütze mit Pelzrand aussah. Eine solche Kopfbedeckung hatte Blake noch nie gesehen. Es war, als ob eine der vielen Statuen der Stadt lebendig geworden wäre und sich unbemerkt auf den Bürgersteig gesetzt hätte. War er obdachlos?
    Die ganze Zeit, während der Junge ihn ansah, rührte sich der Mann nicht, blätterte nicht eine Seite um, starrte nur tief versunken in sein Buch. Tatsächlich, er hätte aus Stein gemeißelt sein können, so reglos saß er da.
    Die meisten Passanten beachteten ihn nicht, aber die, die doch hinsahen, warfen ihm ein paar Münzen vor die Füße und gingen eilig weiter. Die Silbermünzen glitzerten wie Spuckeflecken auf dem Boden. Der Mann aber kümmerte sich weder um die Blicke der Leute, noch steckte er die Münzen ein. Er war tief versunken in seiner eigenen Welt.
    Neben ihm, auf einer zerlumpten Decke lag ein grauer Hund mit borstigem Fell, keck aufgestellten Ohren und einem leuchtend roten Tuch um den Hals. Duck ging geradewegs auf ihn zu.
    »Ihr Hund gefällt mir«, sagte sie, dann bückte sie sich und streichelte den Hund, der träge mit seinem Schwanz auf den Boden klopfte. »Wie heißt er?«
    Nicht einmal jetzt sah der Mann auf, sondern las gespannt weiter. Seine schmutzigen Finger, mit denen er das Buch hielt, sahen aus wie knorrige Baumwurzeln.
    »Duck!«, zischte Blake, der den alten Mann möglichst nicht stören oder kränken wollte. Vielleicht hatte der Hund Flöhe, oder schlimmer: er könnte Duck beißen. Aber eigentlich beunruhigte ihn keine der beiden Möglichkeiten wirklich. Viel dringlicher beschäftigte ihn die Frage, was seine Mutter wohl dazu sagen würde, dass Duck einen Fremden ansprach. Schließlich sollte er, Blake, auf sie aufpassen.
    »Duck!«, zischte er noch einmal.
    Dieses Mal hörte sie ihn, hob den Kopf und lächelte ihm zu.
    »Wie heißt Ihr Hund?«, fragte sie, aber der Mann ignorierte sie noch immer.
    Blake ging hin und zog sie am Arm weg.
    Da hob der Mann plötzlich den Kopf. Es war, als sei er am Ende eines kniffligen Satzes oder eines besonders langen Abschnitts angelangt. Er musterte Blake mit

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