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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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Neuem und katapultiert mich in die Offensive. »Na schön, erzähl doch mal. Wenn du so gut Bescheid weißt, möchte ich auch den Rest hören.« Ich bedaure es sofort. Ich habe meinem Zorn nachgegeben und mich damit verraten.
    »Die Einzelheiten kann ich nicht sehen. Aber ich kenne das Ergebnis.«
    Ich auch, genau wie jeder andere, keine große Leistung, denke ich. Aber woher weiß sie, wer gefahren ist? Weil Männer meistens fahren? Noch ein »Glückstreffer«? Ein paar Minuten lang hört man nur das Knirschen des Schotters unter ihren Füßen und das leisere Geräusch meiner Räder. Wenn ich ihr etwas gebe, bekomme ich vielleicht etwas dafür zurück.
    »Okay, also die Kurzfassung. Es ist Nacht. Er fährt, wie du bereits vermutet hast.«
    »Ich wusste es.«
    »Ja, ja. Jedenfalls verliert er die Kontrolle, der Wagen kommt von der Straße ab, überschlägt sich ein paarmal, ich lande im Dreck, und als ich im Krankenhaus zu mir komme, werde ich gefragt, ob ich irgendwo ein Taubheitsgefühl spüre.«
    Meine Stimme ist ruhig geblieben, doch mein Herz hämmert, und mir ist unerträglich heiß. Ekel durchflutet mich, als wäre ich über eine Schnecke gefahren, die jetzt an meinem Rad klebt und deren schleimige, herausquellende Innereien ich jeden Moment |69| an der Handfläche spüren werde. Bethany nickt, als würde sie die Szene wiedererkennen. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil, meine Worte scheinen sie anzuregen.
    »Aber es war Ihre Schuld, oder?« Wie viele gestörte Kinder besitzt Bethany einen sicheren Instinkt für die Achillesferse eines Menschen. Ich schließe die Augen und halte an. Als ich sie wieder öffne, steht Rafik neben mir. Ich atme langsam ein und aus.
    »Manchmal ja, manchmal nein«, erwidere ich so gelassen wie möglich und fahre weiter. »Das hängt von meiner Tagesform ab. Ich wüsste gern, ob dir das irgendwie bekannt vorkommt.«
    Aber sie lässt sich nicht in diese Richtung ablenken. Ihre Weigerung, sich der Vergangenheit zu stellen, bröckelt nicht. Bis auf das eine oder andere Bibelzitat, meist aus Ezechiel, den Briefen an die Thessalonicher oder der Offenbarung, komplett mit Kapitelangabe und Vers, lässt sie keine Einflüsse aus ihrem Leben in der Außenwelt erkennen. Es kann Monate, wenn nicht gar Jahre dauern, bis Bethany jemandem so weit vertraut, dass sie über ihre Eltern spricht. Falls überhaupt. Warum sollte sie auch? Sie hat viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Wenn das, was ihr zugestoßen ist, so schlimm war, dass sie deswegen ihre Mutter getötet und sich eingeredet hat, auch sie selbst sei gestorben   …
    »Wie gelähmt sind Sie denn?«
    Inzwischen habe ich mich erholt.
    »Meine Beine funktionieren nicht«, sage ich und fahre schneller. Rafik hält sich zurück; Bethany bleibt neben mir. »Ich kann nicht aufstehen oder gehen, aber noch schwimmen. Meine Arme machen die Arbeit.«
    »Sie kann noch schwimmen«, sagt sie, als dächte sie darüber nach. »Aber kann sie auch Sex haben?«
    Ich atme tief durch. Das ist die Frage, die in der normalen Welt insgeheim jeder stellen möchte. Doch in einer Hochsicherheitsklinik für kriminelle, psychisch kranke Jugendliche ist nichts normal. »Von der Taille abwärts habe ich kein Gefühl. T 9-Querschnittlähmung , vollständig«, antworte ich. »Mit anderen Worten, |70| vom Nabel abwärts passiert nicht viel.« In der Reha habe ich entdeckt, dass ich mit viel Zeit und geduldigem Experimentieren eine gewisse Erregung erleben kann, obwohl das meiste davon in meinem Kopf stattfindet und mithilfe meiner Brüste funktioniert. Allerdings habe ich nicht vor, dieses Wissen mit der plötzlich so neugierigen Bethany Krall zu teilen.
    »Ich wüsste gern, wieso du danach fragst«, sage ich vorsichtig. Ich bin froh, dass wir einander dabei nicht ansehen. Habe ich den Weg für ein Gespräch über ihre eigenen sexuellen Erfahrungen bereitet? Und was kann das bei ihr auslösen? Aber sie scheint mich nicht zu hören oder will nicht antworten.
    »Ich habe mir das nicht ausgesucht«, sage ich leise, obwohl ich in dunklen, zornigen Momenten das Gegenteil befürchte. »Aber ich kann damit leben.« Tatsächlich? Vor meinem inneren Auge taucht ein Bild von mir und Alex auf, wie wir uns auf dem Pokertisch lieben, und mein Brustkorb wird eng, als zöge ein grausamer Elisabethaner meine Korsettschnüre an. »Vielleicht kannst du das verstehen. Spontane, willkürliche Handlungen, die lebenslange Konsequenzen haben.« Ihre Mutter schwebt wie ein

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