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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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fühlen, dass sie mich zu ihrer Freundin auserkoren hat.
    Die nächste Nachricht trifft mich, bevor ich Bethanys Anruf verdaut habe. Noch bevor er sich meldet, weiß ich, dass er es ist. Ich zucke zusammen. Gerate in Panik. Fliehen oder kämpfen? Nach kurzem Zögern entscheide ich mich für den Kampf, wie immer.
    »Wir müssen uns unterhalten. Etwas Neues hat sich ergeben. Wir müssen alles überdenken. Ruf mich bitte sofort an.«
    Seine Stimme klingt leise, entschuldigend, aber ich höre auch eine unterschwellige Erregung. Also hat der Physiker richtigen Sex gehabt mit einer Frau, die ihre Beine um ihn schlingen kann. Einer Frau, die ihn dazu gebracht hat, die Dinge zu »überdenken«. Schön für ihn. Wasser rinnt an meinem Hals hinunter und sammelt sich in der Schlüsselbeingrube. Einen Moment lang bin ich davon überzeugt, dass ich mich nicht bewegen kann, dass die Lähmung sich ausgebreitet hat, dass mein Körper versteinert ist, dass ich jetzt an allen Gliedmaßen gelähmt bin, ein schwebendes Gehirn, mehr nicht. In dem Schweigen, das auf seine Stimme folgt, pulsiert eine Leere in der Luft, eindringlich wie ein Schmerz. Ich drücke auf Löschen.
    Da ist noch eine Nachricht, aber mehr kann ich im Augenblick nicht ertragen. Ich rufe im Krankenhaus an. Werde durch das Labyrinth der Verwaltung weitergereicht, bis ich die richtige Station am Apparat habe. Von der diensthabenden Schwester erfahre ich, dass Bethanys Zustand stabil ist. Sie werde noch einige Tage dort bleiben, bevor man sie nach Kiddup Manor verlegt. Die nötigen Schritte habe man eingeleitet. Nein, es sei nicht bekannt, dass sie gestern Abend jemanden angerufen habe. Ja, sie habe zwei Krankenschwestern aus Oxsmith bei sich und erhalte starke Beruhigungs- und Schmerzmittel. Bei dem elektrischen Schlag habe sie Verbrennungen zweiten Grades an Händen und Armen |206| erlitten. Sie hat versucht, sich durch einen elektrischen Schlag zu töten, und meine Telefonnummer ausfindig gemacht, doch die Lage ist immerhin stabil. Und sie kann momentan nirgendwo hin. Ich föhne mir die Haare und ziehe mich umständlich an. Dann drücke ich zweimal die Kurzwahl des Physikers, jedes Mal klappe ich das Handy zu, bevor es klingelt.
    »Aufwachen, Gabrielle Fox, es duftet nach Kaffee«, sage ich zum Spiegel. Ich lege wasserfeste Wimperntusche und einen 2 4-Stunden -Lippenstift namens Cinnamon Kiss auf, der, ähnlich wie ein Schiffsrumpf, das mehrstufige Auftragen von Farbe und Lack erfordert. »Tief einatmen. Dies ist das bittere Aroma der Realität.« Ich halte inne, betrachtete mein Spiegelbild und sinniere über die Zeitverschwendung, die das tägliche Auftragen von Kosmetika darstellt, vor allem von jenen, die eine minutenlange Trockenzeit zwischen den verschiedenen Schichten erfordern. Wie sagte Bethany doch so treffend, als wir uns zum ersten Mal begegneten:
Sie geben sich Mühe beim Schminken, obwohl sowieso keiner zweimal hinsieht. Außer irgendwelchen Perversen
. »Jetzt gehst du schwimmen. Und falls du ertrinkst, sag bloß nicht, Bethany hätte dich nicht gewarnt.«
    Zehn Minuten später will ich gerade die Wohnung verlassen, als ich bemerke, dass das Lämpchen am Anrufbeantworter immer noch blinkt. Ich zögere. Eine lebhafte Phantasie kann ebenso Fluch wie Segen sein. Heute ist sie ein Fluch. Ich habe die ganze Nacht damit zugebracht, drastische Bilder heraufzubeschwören. Wenn ich jetzt die Stimme des Physikers höre, werden auch zwanzig Bahnen im Becken nicht ausreichen, um mit der Mischung aus Furcht, Schuldbewusstsein und Erregung zu leben, die sich in seine Stimme gestohlen hat, nachdem sich die Vaginalmuskeln einer anderen Frau um seinen Penis geschlossen haben.
    Ich drücke auf Abhören.
    »Ich war neulich noch nicht fertig mit Erzählen«, platzt Joy McConey heraus. Ich könnte sie küssen. »Mein Mann hält mich für verrückt. Aber das bin ich nicht. Ich muss Sie sehen. Ich muss |207| Sie vor dem warnen, was passieren wird.« Sie gibt ihre Handynummer durch. »Rufen Sie mich an, wenn Sie das hören. Sie müssen etwas über Bethany erfahren. Dann werden Sie Ihre Meinung ändern.« Ich erinnere mich, wie bleich Joy McConey aussah, als sie uns auf der Schwelle des Restaurants gegenüberstand. Wie die weißen Pappteller, die man beim Picknick benutzt. Leer und ehrlich.
Sie sagt nicht nur Dinge voraus. Sie verursacht sie!
     
    Wenn die Menschheit morgen aus Hadport verschwände, würde der australische Eukalyptus als Erster seinen Anspruch auf Vorherrschaft

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