Engel auf Abwegen
hatte. Ich hatte noch nie erlebt, dass irgendjemandem die Arroganz so schnell zu Kopf gestiegen war wie Nikki, und ich vermutete, dass Pilar etwas mit dieser drastischen Veränderung zu tun hatte.
»Ich kann es kaum erwarten, deine Ausstellung zu sehen«, flötete sie. »Sawyer möchte nicht gestört werden. Er sagte, ich solle weggehen! Kannst du das glauben?« Sie setzte ein hübsches Lächeln auf. »Ich würde gerne bleiben und ein wenig mit dir plaudern, aber ich habe mich mit Pilar und den anderen Mädchen in Brightlee zum Mittagessen verabredet. Ciao !«
»Nikki«, sagte ich, und sie blieb stehen.
Sie blickte sich um und sah mich an.
»Liebes«, sagte ich, »ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber wenn ich du wäre, würde ich mich vor Pilar in Acht nehmen.«
Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich mit Pilar aufgewachsen war, an ihr Bedürfnis, immer das Sagen zu haben, die Anspannung um ihren Mund herum, wenn mir etwas Gutes widerfuhr und ihr nicht. Wie gehässig sie war, wenn die Dinge sich nicht so entwickelten, wie sie das wollte.
Im zweiten Highschool-Jahr brach unsere kleine Gruppe auseinander. Wir hatten es überlebt, als Nikki herausfand, dass ich Geld hatte. Wir hatten es überlebt, dass Nikkis Mutter eine Blamage war, weil sie zunächst im Eisladen und danach als Hausmädchen gearbeitet hatte. Aber über Jungen konnten wir nicht hinwegkommen. Zumindest nicht, wenn es ein Junge war, den Pilar liebte und der wiederum mich liebte.
Sein Name war Steve Barker. Er war in der Oberstufe und ein Football-Star, der beliebteste Junge in der Willow Creek High School. Am Anfang des zweiten Schuljahres wurde Pilar seine Nachhilfelehrerin in Mathe. Er neckte sie wie seine kleine Schwester, nannte sie »P«, und es war das erste Mal, dass ich Pilars … also, sanfte Seite erlebt habe. Das ist jetzt schwer zu glauben, ich weiß. Als Nikki Pilar damit aufzog, dass sie verliebt sei, stritt sie das entschieden ab und führte alle möglichen Gründe an, warum das nicht der Fall war (er sei Schotte, habe keinen Verstand, alle Mädchen schmachteten ihn an). Ich hatte ihr gegenüber nichts davon erwähnt, dass er mich fast jeden Abend anrief, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn nur als Freund betrachtete. Ich interessierte mich nicht für diese Milchgesichter an der Willow Creek High School. Pilar hingegen war in diesen Typen verliebt.
Er hatte kein großes Selbstbewusstsein. Als er in unseren Umkleideraum kam und mich fragte, ob ich mit ihm zum Winterball gehen wollte, kam Pilar herein und gab mir keine Chance, seine Einladung auszuschlagen.
»Du hast sie zum Winterball eingeladen?«, fragte sie ihn angespannt.
»Ja«, sagte er lächelnd. »Sag ihr, dass sie annehmen soll, P.«
Pilar wurde ganz still und äußerst nervös, aber unser Football-Spieler bemerkte das nicht und lächelte mich einfach nur an.
»Du bist wirklich nett«, sagte ich. »Aber leider kann ich das nicht.«
»Das kannst du nicht?« Sein Zahnpasta-Lächeln verschwand. »Jedes Mädchen in der Schule würde dafür sterben, mit mir ausgehen zu können. Verdammt« – er wandte sich an Pilar – »du würdest doch sofort mit mir gehen.«
Ich vermute, er hatte einen Schlag zu viel auf den Kopf bekommen.
Pilar biss die Zähne zusammen. »Ja, Frede, du solltest mit ihm gehen.«
»Das kann ich nicht …«
»Du musst einfach gehen«, beharrte sie.
»Okay, abgemacht«, verkündete Steve. »Ich hole dich um sieben Uhr ab.«
Dann ging er fort.
»Ich werde nicht hingehen«, sagte ich.
»Was?«, keifte Pilar. »Meinst du, du bist etwas Besseres als die anderen? Glaubst du, du brauchst nur mit deinem Geld und deinem Namen um dich zu werfen, und dann kannst du alles erreichen?«
Um die Wahrheit zu sagen: Sie machte mich so verrückt, dass ich schließlich mit ihm ging.
Aber an dem Montag nach dem Ball, nachdem das Anstecksträußchen befestigt war und all die Fotos gemacht waren und ich ihm in die Eier getreten hatte, als er auf dem Vordersitz des Cadillacs seiner Eltern zudringlich wurde, habe ich das Ganze bereut. Als ich in den Umkleideraum kam, hatte ich vor, mich zu entschuldigen. Nikki und Pilar waren bereits da.
»Wie war es?«, quiekte Nikki.
Pilar schlug die Tür zu. »Ja, wie war es?«
Ich erzählte ihnen, wie schrecklich es gewesen war, teilweise, weil es stimmte, und teilweise, weil ich Pilar zu verstehen geben wollte, dass es nichts Besonderes gewesen war und dass es mir leid tat, dass ich überhaupt mitgegangen war.
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