Engel auf Abwegen
hoffe, es geht gut.«
»Peggy, geht es dir gut?«, fragte ich, aber sie war schon verschwunden und strebte auf das Plexiglas-Podium zu.
»Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!«, sagte sie.
Alle schwiegen, und sie begrüßte den Bürgermeister von Willow Creek. Die Spannung stieg, als Bürgermeister Jameson in den vorderen Teil des Raums ging und eloquent über die Galerie, Sawyer und das Engagement der Bürger von Willow Creek für die Kunst sprach.
»Ohne noch mehr Worte zu verlieren, präsentiere ich Ihnen hiermit Impressionen von Sawyer Jackson«, beendete der Bürgermeister seine Rede und entfernte den ersten Vorhang.
Die Anwesenden zogen die Luft ein, aber ich sah nur
Sawyer an, dessen Gesichtsausdruck düster war. Er war äußerst verärgert, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, aus welchem Grund.
Nachdem ich mich umgedreht hatte, was ich besser nicht hätte tun sollen, sah ich es.
Ich muss wahrscheinlich etwas zurückgetaumelt sein, denn Sawyer streckte die Hände aus, um mich festzuhalten, während ich auf ein Gemälde starrte, das ich vorher noch nicht gesehen hatte und das Carlos als Letztes aufgehängt haben musste. Kein Wunder, dass Peggy so besorgt gewesen war.
»Gütiger Gott, Fredericka«, stieß meine Mutter hervor. »Sag mir, dass du das nicht bist.«
Hätte ich das nur gekonnt. Aber mir fehlten die Worte, selbst wenn ich irgendeine Geschichte hätte erfinden wollen. Aber welche Art von Geschichte ich hätte erfinden sollen, um eine Erklärung für das kleine Gemälde, auf dem ich ohne jede JLWC-akzeptable Kleidung abgebildet war, zu finden, ist schwer zu sagen.
Sawyers Anspannung breitete sich im ganzen Raum aus. »Fuck!« Und genau das hatten wir vor der Pose getan, die Sawyer festgehalten hatte und die jetzt als Gemälde an der Wand hing, damit ganz Willow Creek es sehen konnte.
Mit makabrer Faszination starrte ich auf das Gemälde und konnte meinen Blick nicht davon abwenden. Ich konnte nur daran denken, dass ich irgendwie geahnt hatte, dass ich es bereuen würde, Sawyer an jenem Tag, als es regnete, gefolgt zu sein. Von all dem Regen und der Dusche, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich nicht einmal heiße Lockenwickler oder eine Flasche Haarspray gehabt hatte, sah mein Haar schrecklich aus. Zu flach und ohne Sprungkraft. Einfach nach hinten gekämmt und wild. Ja, wild.
Aber Gott sei Dank hatte Sawyer mich in seinem Hemd gemalt, auch wenn die Knöpfe offen waren und es mir von den Schultern rutschte. Ich starrte auf ein skandalöses Gemälde von mir, mir, Frede Ware, wild und fast nackt mit all dem kitschigen Kristall und dem unechten Goldarmband an meinem Handgelenk.
Ich glaube, ich sah Sterne, aber das waren keine guten.
Im Raum machte sich Flüstern breit, und ich fragte mich, ob es mir gelingen würde, einfach zu verschwinden. Was lächerlich war. Selbst ich hatte nicht die Kraft dazu, ganz zu schweigen davon, dass diese Kraft zusehends weniger wurde. Dann besann ich mich darauf, wer ich war. Fredericka Mercedes Hildebrand Ware.
Stolz reckte ich das Kinn in die Luft.
Und straffte die Schultern.
Ich nahm die souveränste Haltung ein, die mir möglich war.
Ich würde allen Anwesenden beweisen, dass ich die Situation unter Kontrolle hatte, was in Anbetracht des Gemäldes ehrlich gesagt ein wenig difficile war.
Meine Mutter fächelte sich Luft zu. »Thurmond, ich glaube, ich werde ohnmächtig.«
Mein Vater war vor Wut wie festgefroren. »Wo ist das Arschloch, das mein kleines Mädchen verdorben hat?«
Zuerst hatte ich anstatt »verdorben« »gemalt« verstanden. Was besser gewesen wäre. Aber dass er das andere Wort gesagt hatte, merkte ich erst, als er hinzufügte: »Hol mir mein Gewehr, ich werde den Mistkerl töten!«
Ich hatte meinen Vater nicht mehr so wütend gesehen, seit ich acht Jahre alt war und unseren Gärtner und seine Familie eingeladen hatte, im Willow Creek Country Club mit uns Krebsschenkel zu essen und Martini zu trinken. Ich
habe nie herausgefunden, ob mein Vater wütend über den Gärtner war oder über die Tatsache, dass ich im Alter von acht Jahren Leute zum Drink eingeladen hatte.
Jetzt, in der Galerie Hildebrand, wurde mir klar, dass wir angezeigt worden wären, hätte meine Mutter nicht darauf bestanden, dass mein Vater sie nach Hause brachte. Ich war nicht traurig, als sie gingen. Ich hätte ebenfalls nichts dagegen gehabt, wenn sich alle aus dem Staub gemacht hätten. Leider saß ich hier mit einer Gruppe wohlhabender Bürger von Willow
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