Engel auf Abwegen
nachzudenken. Obwohl es nicht so einfach war, es völlig zu ignorieren, denn als ich vor der Garage vorfuhr, kam Nina (die anscheinend genug von ihrer Familie hatte oder diese von ihr) aus der Hintertür geschossen.
An ihrem unordentlichen Haar und dem entsetzten Gesicht konnte ich erkennen, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie wäre vor Schreck beinahe umgefallen, als sie mein Outfit sah: Trainingshosen und ein überdimensionales T-Shirt, das ich mir von Sawyer geliehen hatte.
»Was Sie machen, Missy Ware? Wo Sie gewesen?«
Da ich nicht unbedingt darüber nachdenken wollte, wo ich gewesen war, dachte ich stattdessen an Bohnendip, Bohnensoufflé, Bohnentacos. Keines dieser Gerichte stand auf meinem Speiseplan, aber ich zog es vor, anstelle einer Antwort an Essen zu denken.
Sie starrte mich an. »Sie Sex machen.«
»Nina!«
Sie überkreuzte die Arme. »Sie keinen Sex haben können, Missy Ware.«
Ich bin so erzogen, dass ich niemals über S-e-x rede. Das wusste ich. Auch mein Hausmädchen wusste das. Aber sie war wie ein Sexdetektor, und die Missbilligung stand ihr auf dem Gesicht geschrieben.
»Hör auf!«, sagte ich.
»Sie aufhören! Sie mit Sex aufhören.«
Sie ließ einen spanischen Wortschwall auf mich los, der (wie immer) nicht sehr schmeichelhaft war, und ich wusste, dass sie wusste, dass ich mit meinem Künstler Sex gehabt hatte. Nicht, dass ich es je zugegeben hätte.
»Nina, also wirklich.« Ich machte eine energische Handbewegung.
Dann folgte ein weiterer nicht gerade schmeichelhafter Wortschwall, und es fielen Worte wie »Belzebub« und »Sünderin«, während sie die Hände hochhob und das Kreuzzeichen machte. Als wäre ich der Teufel!
»Wo ich gewesen bin oder was ich getan habe, geht dich nichts an.«
Nina zog die Luft ein. »Bueno.« Obwohl ich sehen konnte, dass sie nichts annähernd Gutes damit meinte. »Wenn mir nicht sagen, wo Sie gewesen, dann sagen zu Lady in Haus.«
Das Blut gefror in meinen Adern. »Ist jemand im Haus?«
»Sí. Missy Winnie, sagt sie.«
»Winifred Opal?«
Nina war zufrieden, dass sie mich endlich aus der Ruhe gebracht hatte. »Ja.«
»Im Haus? In meinem Haus?« In meiner Stimme lag ein winziger Anflug von Hysterie, der Nina unendlich gut gefiel. Aber da Winnie in The Willows wohnte, konnte sie ohne weiteres unangemeldet bei mir auftauchen.
Nina nickte. »Jetzt Sie ändern Ihr Lied.«
»Melodie!«
»Egal.«
Nina und ihr Versuch, hip zu sein. Gütiger Gott.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, fügte sie hinzu. »Nina sich um Missy Ware kümmern.«
Das wusste ich. So lange ich denken konnte, hatte sie mir aus der Patsche geholfen, obwohl ich hinterher immer dafür zahlen musste.
Als ich viereinhalb Jahre alt war, zerbrach ich die Lieblingsvase meiner Mutter. Nina klebte sie mit Sekundenkleber wieder zusammen. Bis heute weiß meine Mutter nicht, dass der dünne Strich nicht Teil des Rankenmusters auf der Vase ist.
Als ich sieben Jahre alt war, bekamen wir Besuch von einem Mitglied der Junior League. Der Sohn der Frau wollte Doktor mit mir spielen. Ich hatte das noch nie gespielt, aber ich war für neue Spiele immer zu haben. Während unsere Mütter unten saßen und Tee tranken, bekam ich meine erste Lektion in männlicher Anatomie. Ich war vielleicht naiv, aber keinesfalls dumm. Als er verlangte, »zeig mir deine auch«, sagte ich ihm, dass ich das Spiel langweilig fand. Vielleicht hätten wir uns gestritten, aber dann kam Nina ins Zimmer gestürzt und wäre vor Entsetzen fast tot umgefallen (damals dachte ich, sie hätte noch nie einen Penis gesehen). Sie stülpte dem Patienten die Kleidung über und scheuchte ihn nach unten, bevor meine Mutter, perlenbehangen und in einer Parfümwolke, das Zimmer betrat.
Sie blieb wie vom Donner gerührt stehen, und ihr Lächeln gefror, während sie mich ansah. »Was hast du angestellt, Fredericka?«
Niemand musste mir sagen, dass Doktor wahrscheinlich nicht die Art von Spiel war, die meine Mutter gutgeheißen hätte.
»Nichts, Mutter«, sagte ich förmlich, selbst damals schon.
»Wo ist der Junge?«
»Welcher Junge?«
Sie sah sich suchend um, runzelte die Stirn und zuckte die Schultern. »Ich fahre jetzt in die Stadt, um bei Brightlee Mittag zu essen. Benimm dich.«
Das war damals, und dies war jetzt.
»Wann ist Winifred gekommen?«, fragte ich mein Hausmädchen. »Was hast du gesagt? Warum hast du sie überhaupt ins Haus gelassen?«
Nina sagte, dass Winifred in dem Moment, in dem sie die Haustür geöffnet
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