Engel auf Abwegen

um dich für die League anzuwerben.«
    »Wirklich?« Sie schnüffelte und putzte sich die Nase.
    »Ja, wirklich.«
    »Du glaubst, ich kann das?«
    »Natürlich kannst du das.« Sie akzeptierte mich also als ihre Lehrerin.

    Nikki schlang die Arme um mich. »O Frede, du bist die Beste.«
    »Ja, nun.«
    Ich wandte mich ab und fragte mich bereits, wie ich dieses protzige Entlein in einen wunderschönen Schwan verwandeln sollte.

12
    Ich wusste, ich würde den Tag bereuen, an dem ich Professor Higgins spielte und Nikki in eine Lady verwandelte. Aber wie sonst sollte ich es anstellen, sie in die Junior League zu kriegen?
    Mit einer einzigen Teeparty hatte sie bewiesen, dass sie keine Ahnung hatte, welches Benehmen sich für eine vornehme Dame ziemte – zumindest für eine Dame in Texas, nicht in Botswana oder Newark, New Jersey. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, die Unterstützung zu bekommen, die Nikki brauchen würde, um der JLWC beizutreten, so wie sie war.
    Auf der positiven Seite gab es etwas, was für mich sprach: Es war nicht schwierig, fünf weitere Frauen zu finden, die Nikki bereits seit fünf Jahren kannten, weil sie mit vielen von uns zur Schule gegangen war und ihr Leben lang in Willow Creek gewohnt hatte. Fünf Frauen zu finden, die bereit waren, ihren Ruf für sie aufs Spiel zu setzen, stand jedoch auf einem ganz anderen Blatt.
    Um das zu tun, musste ich mir das Verhalten eines Generals aneignen, der einen Krieg gewinnen will. Und es würde ein Krieg werden, das kann ich Ihnen versichern. Aber es gab drei Gründe, weswegen ich den Job machen wollte:
    1. Ehrlich gesagt hatte ich kaum eine andere Wahl. Welcher Anwalt, zumindest welcher Anwalt mit Talent, der den Mut hatte, sich mit Gordons Familie anzulegen,
würde mich schon vertreten, wenn ich kein Geld hatte? Und selbst wenn diese anderen Anwälte Talent hatten und bereit wären, mich gegen Bezahlung zu vertreten, so waren sie zweifellos auf Publicity aus und würden meinen guten Namen und mein perfektes Foto jeden Tag durch die Presse jagen, um für sich selbst Werbung zu machen. Lieber würde ich Nikki Grout umwandeln und sie in die Junior League aufnehmen.
    2. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Mir war langweilig. Ich hatte fabelhafte Kleider und eine Menge Geld (wenn auch jetzt nicht mehr), doch all die vielen Partys verloren langsam ihre Anziehungskraft. Natürlich klang das alles wunderbar, aber in Wirklichkeit war damit eine Menge Arbeit verbunden. Man musste perfekte Kleider tragen, den richtigen Schmuck (eindrucksvoll, aber nicht zu auffällig – mit Ausnahme von Verlobungsringen aus Diamanten) und genau aufschreiben, wer was machte, um sicherzustellen, dass man nicht Ja auf eine Einladungskarte für eine Party schrieb, die jemand gab, der gerade verzweifelt versuchte, sein Gesicht zu wahren (von einer solchen Einladung hielt ich Abstand). Es war eine ermüdende Arbeit und nichts für schwache Nerven.
    3. Ich konnte einer Herausforderung nicht widerstehen. Meine Mutter sagte immer, es läge daran, dass ich immer alles so haben wollte, wie ich es für richtig hielt. Aber was ist denn daran falsch? Meiner Meinung nach ist es nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass andere Leute etwas für richtig halten.
    Angesichts meiner Notlage entwickelte ich einen Drei-Punkte-Plan. Ich wollte
    1. Nikki beibringen, wie man sich wie eine Dame benimmt,
    2. fünf Frauen finden, die bereit waren, sie zu unterstützen,
    3. sie rechtzeitig auf ihre große Party vorbereiten, um sie in die Gesellschaft von Willow Creek einzuführen.
    Als ich einen Anflug von Reue verspürte (»Ich kann das einfach nicht«, was eigentlich gar nicht meiner Natur entsprach), tat ich das einzig Vernünftige: Ich ging shoppen. Wer macht das nicht? Normalerweise hebt das die Laune und wird von fast jeder Frau in der JLWC akzeptiert, im Gegensatz zu all diesen unnatürlichen Stimmungsaufhellern wie Yoga und Meditation.
    Ich hatte vor, wie wild shoppen zu gehen, während ich schnurstracks zu den besseren Boutiquen am Willow Creek Square in der Nähe der Hildebrand Avenue fuhr und versuchte, mich auf die neue Sommermode zu konzentrieren. Aber ich war nicht mit dem Herzen bei der Sache, und in weniger als einer Stunde war ich wieder auf dem Nachhauseweg.
    Mir kam der Gedanke, bei Howard nachzufragen, ob er irgendwelche Fortschritte gemacht hatte. Es war jetzt zwei Wochen her, seitdem mein Mann das Haus verlassen hatte und nicht zurückgekommen war. Wenn ich zu den verzweifelten Frauen