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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Linda Francis
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unrecht hat und du nicht an diesem verrückten Plan mitgewirkt hast, Nikki in unseren Club zu bringen. Du weißt genau, dass sie nicht dorthin gehört.«
    »Mutter, hör jetzt auf.«
    Ja, ich war ziemlich schroff zu ihr, was uns beide überraschte.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Trotz der großen Entfernung, die zwischen uns lag, spürte ich die Spannung, als würde meine Mutter direkt neben mir stehen.
    »Mutter, es tut mir leid. Aber, um ehrlich zu sein, du solltest offener zu Nikki sein.«

    Sie zog scharf die Luft ein – ein äußerst schlechtes Zeichen.
    »Das heißt also, es stimmt, dass du Dienstagabend auf die Dinnerparty der Grouts gehst?«
    »Wie hast du von der Party erfahren?«
    »Alberta Bentley hat es mir gesagt.«
    »Geht sie auch hin?«
    Meine Mutter schniefte. »Ja.«
    »Wenn Alberta dort hingeht, warum sollte ich nicht hingehen?«
    »Wir beide wissen, dass Albertas Mann Politiker ist und keine andere Wahl hat, als auf zahlreiche unbedeutende Partys zu gehen, um Spenden zu sammeln.«
    Spenden. Nicht Geld.
    »Nun, ich gehe hin.« Einfach so. »Ich habe gesagt, dass ich komme, Mutter.«
    Sie legte den Hörer auf.
    Meine Mutter und ihre Entschlossenheit, eine feine Lady der Junior League zu sein, hatte mein ganzes Leben dominiert. Ich hatte nie groß darüber nachgedacht, dass wir, bis ich dreizehn Jahre alt war, jeden Sonntag zur Familie meines Vaters zum Abendessen gingen. Sie wohnten im Hildebrand-Haus in einer Seitenstraße vom Willow Square, aber meine Großeltern mütterlicherseits habe ich nur ein einziges Mal getroffen.
    Damals war ich acht Jahre alt. Ich war auf der Ranch (die Dallas Road in südliche Richtung) und kam in meiner ganzen Vornehmheit soeben die Treppe herunter, als ich ein stolzes, aber ärmlich gekleidetes Paar in der Halle stehen sah.
    Die Frau stand aufrecht da, aber der Mann hatte Tränen in den Augen, als er mich sah.

    »Du musst die kleine Fredericka sein«, sagte er.
    »Ja. Und wer bist du?«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wer die beiden waren. Hilfskräfte gingen immer durch die Hintertür, und Gäste kamen durch die Haustür herein, aber diese beiden waren nicht wie die Gäste, die ich bereits gesehen hatte, gekleidet.
    »Ich bin dein Großvater.«
    »Großvater?« Das Wort »Vater« wurde im Haushalt der Hildebrands niemals benutzt.
    »Er ist dein Großvater«, sagte die Frau.
    Das konnte einfach nicht stimmen.
    »Du bist nicht mein Großvater.« Großvater Hildebrand wohnte in der Stadt, und jeden Sonntag vor dem Abendessen saß ich mit ihm in seinem Arbeitszimmer, und er erzählte mir von all den großartigen Hildebrands, die vor mir gelebt hatten.
    »Ich bin der Papa deiner Mutter.«
    Das war ja etwas vollkommen Neues. Meine Mutter hatte einen Vater?
    Das war lächerlich, ich weiß. Aber meine Mutter schien nicht die Art von Frau zu sein, die Verwandte hatte. Für mich schien sie durchaus in der Lage gewesen zu sein, ohne zwei lebende, atmende Eltern auf die Welt zu kommen. Ähnlich wie Athene, die aus Zeus’ Kopf herausgekommen war, völlig ausgewachsen und mit Perlen und in geschmackvoller Kleidung. Das machte diesen Mann noch weniger zu einem »Vater«-Kandidaten, denn er sah überhaupt nicht wie Zeus aus. Großvater Hildebrand und mein eigener Vater waren wie Zeus.
    Nina kam ein paar Minuten nach mir die Treppe herunter. Damals war sie schon genauso stämmig und altmodisch,
obwohl sie nicht viel älter gewesen sein konnte als ich jetzt.
    » Señora Ware no está aquí «, sagte sie.
    »Was willst du damit sagen?«, protestierte ich.
    Nina warf mir einen bösen Blick zu (dies war eines der wenigen Dinge, die mich verstummen ließen – zumindest damals), dann bestand sie wieder darauf, dass meine Mutter nicht zu Hause war.
    Die Frau sah nicht weiter überrascht aus, aber dem Mann, der angeblich mein »Großvater« war, stiegen noch mehr Tränen in die Augen. Er war eine Heulsuse, und um ein Haar hätte ich zu ihm gesagt, er könne sich glücklich schätzen, dass meine Mutter so tat, als wäre sie nicht da, denn sie hätte es bestimmt nicht gerne gesehen, wenn er heulte. Aber bereits damals wusste ich, dass es viel zu direkt wäre, ihm zu sagen, er solle aufhören zu weinen, obwohl es ziemlich hilfreich gewesen wäre, wenn er ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter haben wollte.
    Die beiden gingen fort, und ich habe sie nie mehr gesehen.
    Erst viele Jahre später erfuhr ich, dass sie wirklich die Eltern meiner Mutter waren und meine Mutter

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