Engel auf Abwegen
herangezogen. Sie hielt die Teetasse so fest umklammert, dass ich das leise Klirren der Eisstücke gegen das Glas hören konnte.
Nachdem sie Nikki eine Zeit lang ignoriert hatte, wandte sich Mandi plötzlich ihrem vernachlässigten Gast zu und sagte: »Ich denke, Frede hat Sie hierher gebracht, weil Sie der League beitreten wollen.«
Nikki war so überrascht (um nicht zu sagen, nervös), dass sie zurückzuckte, wobei der Tee über den Rand des Glases und auf ihre Kleidung schwappte. St.-John-Strickwaren sind zwar sehr geschmackvoll, absorbieren jedoch kaum Feuchtigkeit, und bevor irgendjemand etwas unternehmen konnte, lief der Tee an ihrer Kleidung herunter und tropfte auf Mandis (blütenweißes) Sofa. Der braune Fleck sah aus wie etwas, das am besten auf einer Ranch zurückgelassen werden sollte.
»Scheiße!«
Mandi erstarrte und starrte Nikki an, die voller Schrecken die Hand auf ihren Mund legte.
»Oh, es tut mir so leid!«, hauchte Nikki.
Aber das reichte nicht aus.
Bevor wir uns versahen, wurde die Tür hinter uns zugeschlagen, und wir standen auf der Treppe.
Nikki war verzweifelt. »Es tut mir leid, sehr leid! Du hattest doch gesagt, ich sollte nicht fluchen und nicht einmal verdammt sagen, was, wie wir beide wissen, eine nette Art
ist, Scheiße zu sagen, und ich habe die ganze Zeit daran gedacht, das Wort Scheiße nicht zu benutzen. Aber dann ist es doch passiert.« Sie verlor praktisch allen Mut unter einem weiten blauen Himmel, der bereits jetzt eine große Hitze ankündigte.
»Wir sollten gehen«, sagte ich streng.
»O Gott, es tut mir wirklich leid.«
Schweigend fuhren wir nach Hause. Bevor wir durch das Tor rollten, winkte ich Juan schwach zu. Vor ihrer Haustür stürmte Nikki aus dem Auto und rannte ins Haus.
Ich dachte einen Moment darüber nach, ihr zu folgen, aber ehrlich gesagt, was sollte ich noch sagen? Ich konnte noch nicht einmal eine Lüge erfinden, um sie aufzuheitern. Es war unmöglich, über das Wort »Scheiße« hinwegzusehen.
Ich ließ sie gehen und fuhr nach Hause. Ich fragte mich, wie ich dieses Affentheater fortsetzen sollte. Die ganze Sache war wie ein Zug, der bereits abgefahren war und für den es keinen Weg zurück gab.
18
Auf die Gefahr hin, dass ich gar nicht wie ich selbst klinge, muss ich sagen, dass ich beim Nachhausekommen das Gefühl hatte, als stände ich kurz davor, ebenso wie Winifred Opal verrückt zu werden. Ausgerechnet ich, eine Miss Melodramatisch? Aber wer weiß?
Es schien mir, als würde sich alles um mich herum verändern, und ich konnte nichts dagegen tun. Wie war es nur möglich, dass alles in meinem Leben schiefging? Mir war ja kaum bewusst, dass Dinge schiefgehen konnten, und ich hatte ganz gewiss keine Erfahrung damit. Ich hatte das Gefühl, als hätte mich jemand in den tiefen Bereich des Country-Club-Pools geworfen, ohne dass ich schwimmen konnte.
Gleichzeitig wusste ich, dass Frede Ware nicht untergehen würde. Und wenn jemand überleben würde und dabei noch so elegante Schwimmzüge machte wie Esther Williams in diesen komischen Schwimmfilmen, dann war ich es. Aber diese ganze Paddelei war äußerst anstrengend.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, rief zu allem Übel auch noch meine Mutter an. Ich war zu müde, um Französisch zu sprechen.
»Hallo, Mutter.«
»Was ist los?«
»Warum denkst du jedes Mal, wenn du anrufst, dass etwas nicht stimmt?«
»Ich kann es an deiner Stimme hören. Aber warum frage ich eigentlich, ich weiß ja sowieso, was los ist.«
Super. Es war zu schön, um wahr zu sein, dass niemand herausfinden würde, dass mein Ehemann verschwunden war. Ein Teil von mir war erleichtert. Endlich war es heraus, und ich brauchte nicht länger alles für mich zu behalten. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, auf welche Weise die Wahrheit ans Licht gekommen war, da ich mir doch die allergrößte Mühe gegeben hatte, alles geheim zu halten.
»Heute Morgen hat mir Lucille Sanger gesagt, sie sei sicher, dass du meine Warnung in den Wind geschlagen hast und versuchst, Nikki Bishop in die League zu bekommen.«
»Sie heißt jetzt Nikki Grout.«
»Als ob ich das nicht wüsste. Sie ist mit diesem schrecklichen Howard Grout verheiratet. Es ist eine Schande, dass Leute wie er in The Willows wohnen.«
»Aber Mutter …«
»Sag mir bloß nicht, dass du ihn verteidigst. Dein Mann hat doch ewig lange darum gekämpft, dass er nicht dort hinzieht. Was ist bloß los mit dir, Fredericka? Du kannst mir nicht sagen, dass Lucille
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