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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Linda Francis
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von dem Bild abwenden, selbst dann nicht, als ich bemerkte, dass der Künstler hinter mir stand.
    »Das ist wirklich … etwas«, sagte ich, ohne mich umzudrehen.
    »Etwas?«
    Ja, ich, die Kunsthändlerin, stand da und stotterte wie ein Schulmädchen und versuchte, nicht den Verstand zu verlieren. Das Gemälde war großartig.
    »Es ist genauso schön wie die übrigen Sachen von Ihnen, die ich gesehen habe«, erläuterte ich.
    »Genauso gut wie das Bild, das im Flur hängt?«
    »Ja, ich nehme an, dass die Skulpturen im Hof ebenfalls Ihnen gehören.«
    Er lachte, und diesmal war der Klang seiner Stimme nicht unangenehm. Er drehte mich zu sich herum, und mir fiel auf, dass er genauso wild aussah wie auf dem Gemälde.
    Einfach gesagt, er strahlte eine enorme körperliche Kraft aus. Seine Gesichtszüge waren hart, attraktiv, wenn auch einschüchternd, und es lag nichts Weiches in seinem Gesicht. Er trug ein schwarzes T-Shirt, das seine muskulösen,
gebräunten Arme betonte, und Jeans, die seine Hüften umschmeichelten. Ich fragte mich, wieso ich jemals vermutet hatte, er sei schwul.
    Er sah mich von oben bis unten an, als überlege er, ob er mich kaufen wollte. Dann zog er einen Mundwinkel nach oben und ging einen Schritt zurück, um besser sehen zu können. Dabei zog er amüsiert eine Augenbraue hoch.
    Ich glaube, ich habe eine winzige Kleinigkeit ausgelassen. Ich habe bei Saks einen unverzeihlich schlechten Einkauf (okay, mehr als einen) getätigt. Als ich beschloss, meinen Künstler auf der falschen Seite der Stadt zu besuchen, um mir seine Kunstwerke anzusehen, und weil Nina nicht da war, um mich zurechtzuweisen, habe ich diese unpassenden Klamotten angezogen.
    »Sie tragen Jeans?«
    Was sollte ich sagen? Ich zuckte die Schultern.
    Ich trug enge, ausgestellte Jeans, ein weißes, seidenes, tunikaartiges Oberteil (dessen Ausschnitt mit glänzenden Metallperlen bestickt war), darunter ein Mieder sowie hochhackige Schuhe mit Keilabsätzen, wie sie leichtlebige Mädchen aus der Willow Creek High School normalerweise trugen. Während Nikki mir immer ähnlicher wurde, verwandelte ich mich immer mehr in Nikki.
    Sein Lächeln wurde breiter, und mein Herz raste wie wild. Dann nickte er anerkennend. »Sie sollten öfter Jeans tragen. Sie sehen verdammt sexy darin aus.«
    Es gibt eine Menge von Komplimenten, die durchaus akzeptabel sind. Sie sind wunderschön. Sie haben ein Lächeln, das den Raum erhellt. Ihre Perlenkette ist makellos. Aber Sie sehen verdammt sexy aus ist nicht darunter. Es war zwar neu und nicht gerade unangenehm, aber dennoch irgendwie peinlich.

    »Ja, aber …«
    Sein Mundwinkel bog sich nach oben. »Sie benutzen oft ›ja, aber‹, habe ich recht?«
    »Ja, aber … ich meine, ah ja …«
    Du lieber Himmel, war das nicht erbärmlich?
    Er kicherte, kämmte sein Haar nach hinten und gab mir eine Schonfrist. »Also, was kann ich für Sie tun?«
    Auf der Stelle Sex mit mir haben.
    Das war nur ein Witz, das habe ich nicht wirklich gedacht, zumindest damals nicht.
    »Ich bin hergekommen, um mit Ihnen über die Ausstellung zu sprechen.«
    »Die Ausstellung?« Er sah nicht gerade überzeugt aus.
    »Ja, darum geht es. Nun, vielleicht nicht nur, obwohl ich Ihre Werke sehen muss, damit ich entscheiden kann, welche Stücke ich ausstellen will.«
    Er schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans und blickte mich eine Sekunde lang an. »Wenn meine Kunstwerke nur ein Teil des Grundes sind, weswegen Sie hier sind, was ist dann der andere Teil?«
    Als höfliche Menschen haben wir nicht viel Gelegenheit, zu üben, wie man von direkten Fragen ablenkt, weil vernünftige Leute keine solchen Fragen stellen. Ich starrte also nur vor mich hin.
    Sein Grinsen wurde noch breiter, und seine Stimme nahm einen neckenden Tonfall an. »Geben Sie es doch zu. Sie sind hier, weil Sie mir nicht widerstehen können.«
    Mir blieb der Mund offen stehen.
    Der Künstler kicherte erneut, dann berührte er mit den Spitzen seiner starken Finger mein Kinn, drückte es nach oben und schloss meinen Mund. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich verrate Ihr Geheimnis nicht.«

    Beinahe wäre ich ins Stottern gekommen. »Das ist doch lächerlich.« Oder nicht. »Ich hatte einen schlechten Tag und wollte nicht zu Hause bleiben.«
    So war es besser.
    Er lachte lauthals und fühlte sich völlig zu Hause in seiner ungehobelten Welt mit den hohen Decken und ohne jegliche Einrichtungsregeln. »Ich bin erschüttert«, sagte er. »Aber die gute Nachricht ist, Sie

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