Engel auf Abwegen
hätte.
Erschrocken fuhr ich hoch. (Schließlich war ich in South Willow Creek.)
Vor meinem Auto stand ein komischer Typ in komischen Klamotten. Er hatte seinen Arm um eine Frau gelegt, die noch komischer aussah.
»Kommen Sie«, rief er mir zu. »Wir gehen gemeinsam rein.«
Als ob wir beste Freunde wären.
Sie hätten die beiden sehen sollen! Die Frau trug mehrfarbige Bauernklamotten, von denen hier und da ein Schmuckstück baumelte. Ich konnte ihre Füße nicht sehen, aber ich hätte wetten können, dass sie Leinensandalen mit Kordeln anhatte (nicht JLWC-akzeptabel, obwohl flache Schuhe von Delman bei diesem Ensemble ein modisches Desaster gewesen wären).
Ihr Haar war lang und lockig und wurde mit allen möglichen glitzernden Schmetterlingclips lose zusammengehalten.
Obwohl ich mit dieser Art von Frau niemals hätte befreundet sein wollen, muss ich zugeben, dass sie für jemanden, der so aussah, als würde er auf einem Flohmarkt einkaufen, hübsch war.
Der Mann sah nicht viel besser aus. Er hatte dickes schwarzes Haar, das so glatt und glänzend wie ein klarer Nachthimmel und zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden war. Er trug ein blütenweißes langärmeliges Hemd mit hohem Kragen und darüber eine türkisch gemusterte Weste. Ich erblickte eine goldene Uhrenkette, die in seiner Hosentasche steckte.
Dies war keine andere Welt, in die ich mich begeben hatte, es war eine völlig andere Epoche.
Ich betätigte den elektrischen Fensteröffner.
»Was haben Sie denn mitgebracht?«, fragte die Frau.
»Mitgebracht?«
Das Paar lachte und öffnete meine Autotür. Kann man es mir verübeln, dass ich schließlich doch geblieben bin, nachdem sie mich aus dem Auto gezogen und darauf bestanden hatten, mit ihnen ins Haus zu gehen?
»Machen Sie sich keine Gedanken«, sagten sie. »Die Leute haben normalerweise mehrere Geschenke dabei.«
»Außerdem«, fügte die Frau hinzu, »hat Sawyer sowieso fast alles da.«
»Alles?«
Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie alles brauchten für – nach meiner Meinung – eine Künstlerparty mit dekadenten Ausschweifungen. Ich spürte ein Gefühl von Beklommenheit und gespannter Erwartung. Das war vermutlich die einzige Erklärung dafür, warum ich mich nicht versteifte, als sie an meine Seite kamen und mich unterhakten.
Wir gingen den Pfad hinunter und wurden vom hellen
Schein der Laternen eingehüllt. »Übrigens, ich heiße Burns, und dies ist Ceta«, sagte der Mann.
Bevor ich meinen Namen sagen konnte, fingen sie wieder an zu lachen und zogen mich ins Haus.
Ich hatte mich schon gefragt, wie es im Innern des Hauses mit den rostfarbenen Adobewänden und den modernen Kunstwerken im Hof aussehen würde. In dem Augenblick, als die grob gemeißelte Eingangstür aufgestoßen wurde, betrat ich eine Welt, die von meiner so weit entfernt war, dass ich das Gefühl hatte, ein fremdes Land betreten zu haben. Die Decken waren hoch, und von einer Empore konnte man den Hauptraum überblicken. So etwas würde ich nie besitzen oder billigen, aber es war irgendwie bemerkenswert. Eine Mischung aus Altem und Neuem, sowohl innen als auch außen. Dort standen sowohl alte Ledermöbel als auch moderne Stücke aus Metall.
Es gibt vier Arten, ein Haus einzurichten:
1. geschmackvoll – wie mein Haus
2. prunkvoll – wie ein Teil von Nikkis Palast
3. mit einer Menge Ramsch – denken Sie an die Häuser von verrückten Leuten, die glauben, einen Coup gelandet zu haben, wenn sie einen »Schatz« auf einem Schrottplatz gefunden haben
4. ohne irgendwelche Regeln – zum Beispiel die Minihacienda meines Künstlers
Nichts passte zusammen; es war eine erschreckende Mischung von allem Möglichen, eine Beleidigung für die Sinne. Hier konnte man sich stundenlang verlieren auf der Suche nach einem Schatz, wie wenn man durch ein Museum geht und jedes Kunstwerk die Aufmerksamkeit des
Betrachters einfordert. Eigentlich hätte es ein Chaos sein und die Sinne beleidigen müssen. Aber das tat es nicht, besonders nicht das 2,70 Meter hohe Gemälde, das an der Wand des Hauptzimmers hing und ein Selbstporträt meines Künstlers war. Es hatte einen cremefarbenen, strukturierten Hintergrund. Seine Gestalt wurde durch die schwarze Kohle und die rötlichbraune Gipsfarbe auf impressionistische Art und Weise hervorgehoben. Auf dem Gemälde sah er wild aus, sein überlanges Haar war nach hinten gekämmt, die Schultern breit, die Hüften schmal, und seine dunklen Augen starrten mich an.
Ich konnte meinen Blick nicht
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