Engel auf Probe (German Edition)
leid. Ich wollte ihr nicht wehtun.”
“Sie kommt schon wieder in Ordnung. Es war nur der Schreck”, beruhigte Reed den jungen Mann und rief den anderen zu: “Spielt ruhig weiter, wir stoßen später wieder zu euch.” Daraufhin hob er Angie hoch und trug sie zurück zur Decke, wickelte sie darin ein und machte sich daran, durch Rubbeln die Kälte zu vertreiben, die Angie die Angst in die Glieder getrieben hatte.
“Für einen Moment hast du mir einen richtigen Schrecken eingejagt, Liebling. Ich habe wirklich gedacht, du würdest in sechzig Zentimeter tiefem Wasser ertrinken.”
“Oh.” Angie ließ die Decke von den Schultern gleiten, zog die Knie an und schlang die Arme darum. “Ich wollte nicht so viel Aufsehen erregen.”
“Du erwähntest ein Baby. Was hat es damit auf sich?”
“Dadurch wurde ich erlöst”, murmelte Angie.
“Bitte?”
“Verdam…
verflixt
, wo habe ich bloß meine Handtasche gelassen?” Angie tastete auf der Decke nach ihrer winzigen Handtasche, bis sie sie gefunden hatte. Sie wühlte darin herum und förderte schließlich einen Spiegel und einen Kamm zutage. Dann fing sie an, ihr Haar in Ordnung zu bringen. Und Reed musste erstaunt feststellen, dass sie ihm nicht nur keine Antwort auf seine Frage geben wollte, sondern auch seinem Blick auswich. Das war noch nie vorgekommen.
“Was war mit dem Baby?”, wiederholte er trotzdem geduldig.
Da Reed einfach nicht lockerließ, erklärte Angie schließlich seufzend: “Auf dem Kai waren noch eine Mutter und ihr Kind. Sie wurden ins Wasser gestoßen, und ich bin hinterhergesprungen, um ihnen zu helfen.”
“Aber ich dachte, du kannst nicht schwimmen.”
“Das kann ich auch nicht.”
“Und du bist trotzdem da reingesprungen?”, fragte Reed ungläubig. “War das nicht außerordentlich tollkühn?”
“Wie sich im Nachhinein herausstellte, war es sogar außerordentlich dumm.”
“Was geschah mit dem Kind?”
“Das hat’s überlebt.” Angie wirkte angespannt. “Ich leider nicht.”
“Und dann bist du ein Engel geworden?”
Reed hatte versucht, sich alles vorurteilsfrei anzuhören. Aber Angies Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte seine Skepsis doch zu stark mitgeklungen.
“Wenn ich mir vorher Gedanken über die Folgen gemacht hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht hinterhergesprungen. Bist du nun zufrieden?”
“Aber du hast es trotzdem getan.”
“Ja. Und mein Akt der Selbstaufopferung gab mir die Möglichkeit, letztlich Erlösung zu finden. Nicht sofort, verstehst du? Aber zumindest stellte man mir in Aussicht, irgendwann einmal für immer im Himmel bleiben zu dürfen. Die Kehrseite der Medaille ist nur … Wenn ich mit dir keinen Erfolg habe, muss ich mir auch keine Gedanken mehr darüber machen, was sich für einen Engel gehört und was nicht.”
“Ah, ich verstehe. Ich bin also deine letzte Chance, mittels derer du dir deine Flügel verdienen kannst.”
“Wir sind hier nicht in einem James-Steward-Film”, gab Angie beinahe bissig zurück. “Ich habe mir meine Flügel schon verdient. Was mir noch fehlt, ist das Recht auf einen dauerhaften Platz im Himmel. Und hier kommst du ins Spiel. Es steht dir frei, mir die Tour zu vermasseln.” Angie feuerte den Kamm auf die Decke. “Warum musst du auch derart gegen die Liebe und die Ehe sein? Ich habe wenigstens einen Grund für meine Wasserphobie. Ich habe Angst vorm Wasser, weil ich ertrunken bin. Welche Entschuldigung hast du?”
“Ich habe keine Angst, ich bin nur vorsichtig.”
“Warum?” Angie griff wieder nach dem Kamm.
“Das mit der Liebe habe ich einmal ausprobiert. Es hat nicht funktioniert.”
“Das habe ich mir auch schon gedacht. Aber warum ist es schiefgegangen?” Als Reed ihr darauf keine Antwort gab, drängte Angie: “Komm schon, Reed. Ich habe dir deine Fragen beantwortet, jetzt beantworte meine.”
Reed brauchte eine volle Minute, um sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Dabei sah er Angie an und beobachtete, wie sich die Sonnenstrahlen ihren Weg durchs Blattwerk der Eiche brachen, unter der sie saßen, und Angies Haar in Gold tauchten. Eine sanfte Brise kam auf und machte Angies Versuch gänzlich zunichte, ihre Lockenpracht zu zähmen. Verdammt, was war diese Frau schön, dazu noch voller Leben, intelligent und – Reed verzog den Mund – nur ein kleines bisschen verrückt.
“In Ordnung, Miss Makepeace. Sie wollen die ganze Geschichte hören? Schön, hier ist sie.” Er pflückte einen langen Grashalm und klemmte ihn sich
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