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Engel auf Probe (German Edition)

Engel auf Probe (German Edition)

Titel: Engel auf Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Day Leclaire
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ertrinken. Ob Engel vielleicht doch zweimal sterben konnten?
    Und dann schien die Welt Kopf zu stehen. Angie war nicht mehr Angie Makepeace, sondern eine andere Angie zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort, aber mit ganz ähnlichen Eindrücken.
    Die dunkelhaarige Frau schlenderte den Kai entlang und bewunderte die Boote. Auf der Hüfte trug sie ihr krähendes Baby. Der stämmige Jugendliche tauchte scheinbar aus dem Nichts auf und eilte über die Planken des Anlegestegs, wobei jeder seiner Schritte auf dem alten Holz dröhnte und aufs Wasser hinausgetragen wurde. Die Frau machte nur einen einzigen Schritt zum Rand des Kais hin, um dem Kind draußen auf dem Meer etwas zu zeigen.
    Das waren winzige Details, die sicher unerheblich gewesen wären und an die Angie sich bestimmt nicht erinnert hätte, wären sie nicht mit zwei unglücklichen Zufällen verbunden gewesen. Der eine war das große Boot, das in diesem Augenblick gerade am Kai entlangsegelte, um in den Hafen einzufahren, und dabei einen wirbelnden Kielwasserstrom hinter sich herzog. Der andere war die Tatsache, dass sich der Jugendliche beim Rennen zu seinem Freund umdrehte und ihm etwas zurief.
    Angie war sich der Gefahr bewusst, bevor noch irgendjemand anderes darauf aufmerksam wurde. Es kam ihr vor, als liefe alles in Zeitlupe ab, wodurch sie letztlich eine Entscheidung traf, die ihr Leben nicht nur verändern, sondern beenden sollte.
    Dann geschah es. Der Junge stieß die Frau mit dem Baby auf dem Arm genau in dem Augenblick an, als die Kielwasserwelle am Kai auflief. Da die Frau weder mit dem Schubs noch mit der Wucht der Welle gerechnet hatte, die den Bootssteg anhob, fing sie an zu fallen. Das kleine Mädchen wurde ihr dadurch aus den Armen gerissen und flog in hohem Bogen aufs Wasser zu. Der verzweifelte Schrei der Frau gellte aufs Meer hinaus, während sie in ihrer Not versuchte, das Gleichgewicht doch noch wiederzuerlangen. Aber vergeblich. Bevor sie ins Wasser fiel, schlug sie hart mit dem Kopf auf das Motorboot auf, das direkt unterhalb von ihr vor Anker lag.
    Angie wartete nicht ab, was nun passieren würde. Keiner war so nah dran wie sie. Sie sprang vom Kai und tauchte etwa zur gleichen Zeit ins Wasser ein wie das Baby. An sich eine geistesgegenwärtige Reaktion. Wenn man allerdings bedachte, dass Angie nicht schwimmen konnte, war es ganz schön unvernünftig. Aber sie hatte nur daran gedacht, das Baby zu retten. Ihre Finger krallten sich in sein seidenweiches Haar, und sie zog mit aller Kraft daran, riss das Baby hoch und hielt es sich über den Kopf, der Oberfläche entgegen. Angie konnte noch sehen, wie sich Arme nach dem Kind ausstreckten. Anscheinend waren in der Zwischenzeit auch andere Menschen herbeigeeilt.
    Und dann verfing sich Angies Haar in der schweren Kette, an der das Motorboot vor Anker lag. Das machte es ihr unmöglich, sich zurück an die Oberfläche zu ziehen. Angie öffnete den Mund, um zu schreien, und fühlte das Brennen des Salzwassers in Nase, Augen und Lunge, während sie unvernünftigerweise, aber verzweifelt nach Luft rang. Langsam schwanden ihr die Sinne, und in den wenigen Sekunden vor dem endgültigen Aus wusste sie bereits, dass ihr Leben vorüber war – dass sie niemals mehr Liebe oder Glück finden würde, niemals einen Mann und Kinder hätte und niemals mit jemandem alt werden würde …
    Bitte, flehte sie insgeheim, bitte lass mich nicht sterben, ohne die wahre Liebe kennengelernt zu haben!
    Da griffen zwei starke Hände nach Angie und zerrten sie an die Oberfläche. “Angie!”
    “Reed! Oh Reed!” Sie musste husten und spuckte Wasser. “Was ist mit dem Baby? Geht es ihm gut?”
    “Welches Baby?”
    “Das Kleinkind vom Kai.”
    “Hier ist kein Kleinkind, Liebling. Und auch kein Kai. Nur du. Und du bist in Sicherheit.”
    “Wir sind gar nicht im Hafen?”
    Reed schüttelte den Kopf.
    Da erst dämmerte Angie, dass das Baby einem anderen Leben angehört hatte. Einem Leben, das sie einst geführt, nun aber schon lange hinter sich gelassen hatte. Ein Schauder überlief sie, weil sie sich nun auch an ihren Tod erinnerte – und mehr noch – an ihre Mission und die Konsequenzen, falls sie diesmal wieder keinen Erfolg haben sollte. Mit einem schmerzerfüllten Schluchzen sank sie Reed in die Arme und barg das Gesicht an seiner Schulter.
    “Ist mit ihr alles in Ordnung?”, hörte Angie dann die Stimme des jungen Mannes, dessen versehentlicher Schubs sie ins Wasser befördert hatte. “Es tut mir wirklich

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