Engel auf Probe (German Edition)
zwischen die Zähne. “Emily und ich hatten vor zu heiraten. Wir haben damals schon zusammengelebt.”
“Wann war das?”
“Es ist knapp drei Jahre her. Alles schien perfekt. Und dann bat mich meine Mutter, Joel bei uns aufzunehmen.”
“Weil sie nicht mehr mit ihm zurechtkam?”
“Genau. Mom dachte, dass er auf mich wohl hören würde.” Mürrisch sah Reed auf den See hinaus.
“Ich gehe mal davon aus, dass Emily von dir erwartet hat, die Sache abzulehnen.”
Reed nickte. “Zum Teufel, Angie, was hätte ich denn tun sollen? Er ist doch mein Bruder!” Nach einer kleinen Pause fuhr Reed fort: “Emily hat sich nicht besonders gut mit ihm verstanden. Sie hatte keine Geschwister, und Joels ‘Wildheit’ – wie sie es nannte – machte ihr Angst.” Reed sah wieder zu Angie hinüber. “Er war einfach nur starrköpfig, genau wie ich in dem Alter. Aber davon konnte ich Emily nicht überzeugen, und sie stellte mich vor die Wahl.”
“Du solltest zwischen ihr und Joel wählen, nehme ich an?”
“Ja.”
“Und du hast dich für deinen Bruder entschieden?”
Reed lachte, aber seine Augen blieben kalt. “Ich musste mich nie wirklich entscheiden. Als ich am nächsten Tag von der Arbeit nach Hause kam, war Emily nicht mehr da, und auch ihre Sachen waren weg.” Wieder sah Reed auf den See hinaus.
“Aber das ist noch nicht alles, stimmt’s?”
Reed antwortete nicht sofort. Eigentlich wollte er Angie überhaupt nicht darauf antworten. Aber Angie war von Anfang an ehrlich zu ihm gewesen, da konnte er ihr wenigstens ihre Frage beantworten. “Ich habe eine Schachtel im Abfall gefunden. Von einem Schwangerschaftstest.”
“Und, war Emily schwanger?”
“Das weiß ich eben nicht.” Reed räusperte sich und spuckte den Grashalm aus, auf dem er bisher gekaut hatte. “Jetzt kommt der Teil, der wirklich zum Verrücktwerden ist. Ich habe mehr als zwei Jahre damit verbracht, um herauszufinden, ob Emily ein Kind von mir bekommen hat. Ich habe mit all ihren Freunden und Geschäftskollegen gesprochen und schließlich Privatdetektive angeheuert. Aber niemand wusste irgendwas oder hat etwas herausgefunden. Oder sie sagen es mir einfach nicht. Es ist beinahe so, als wäre Emily vom Erdboden verschluckt worden.”
“Und du weißt nicht, wo sie hingegangen sein könnte?”
“Vielleicht zu ihrer Mutter. Nach der Scheidung von Emilys Vater hat sie wieder geheiratet. Aber ich habe die Frau nie kennengelernt. Ich weiß weder, wo sie wohnt, noch kann ich mich an ihren neuen Nachnamen erinnern.” Reed schlug mit der Faust neben sich auf den Boden, wobei die weiche Erde den Schlag abfederte. “Du hast dich gefragt, warum es mir so schwerfiel, den kleinen Jungen von Caseys Tochter zu halten. Jetzt kann ich dir’s ja sagen: Weil es mich verrückt macht, mir dauernd zu überlegen, ob ich womöglich selbst einen Sohn oder eine Tochter im gleichen Alter habe.”
“Hast du deiner Mutter davon erzählt?”
Reed schüttelte den Kopf. “Du bist die Einzige, die die ganze Geschichte kennt. Auch die Detektive wissen nicht alles.” Er warf Angie einen beinahe feindseligen Blick zu. “Und ich will auch nicht, dass irgendjemand etwas erfährt. Meine Mutter und Joel haben auch so schon ein schlechtes Gewissen, weil Emily mich verlassen hat. Wenn sie auch noch wüssten, dass sie womöglich schwanger war …”
Nun verstand Angie auch, warum Reeds Mutter ihn um jeden Preis verkuppeln wollte. “Deshalb hat deine Mutter all diese Rendezvous organisiert?”
Reed nickte. “Sie fühlt sich schuldig, weil sie glaubt, wenn sie mich nicht gebeten hätte, Joel zu uns zu nehmen, hätte Emily mich nicht verlassen. Seitdem versucht meine Mutter, die Sache wiedergutzumachen.”
“Und du lässt sie gewähren.”
“Ja, für mich ist es eigentlich nicht so schlimm, aber es erleichtert ihr Gewissen.”
“Und der arme Joel fühlt sich bestimmt auch schuldig.”
“Ich habe mit ihm darüber gesprochen und ihm erklärt, dass ich ihn nicht dafür verantwortlich mache, dass Emily mich verlassen hat. Ich denke, er glaubt mir. Zumindest hat er nichts anderes gesagt.” Fragend sah Reed Angie an. “Verstehst du jetzt, warum ich wirklich überhaupt nicht daran interessiert bin, zu heiraten?”
“Nicht ganz. Immerhin hast du nur eine schlechte Erfahrung gemacht …”
“Du verstehst es immer noch nicht, stimmt’s?” Reed war mit einem Satz auf den Beinen und baute sich vor Angie auf. Sein Zorn war regelrecht fühlbar. “Eines Tages
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