Engel auf Probe (German Edition)
brauche?”
“Man erklärt mir nicht immer die Beweggründe für meine Missionen, aber ich gehe davon aus, dass du Joel mit gutem Beispiel vorangehen sollst. Vielleicht denkt der liebe Gott, dass dein Bruder miterleben muss, dass die wahre Liebe zwischen Mann und Frau existiert, damit Joel sie später selbst einmal finden kann.”
Reed ließ den Kopf hängen. “Es tut mir leid, Angie”, sagte er dann, “ich kann dir nicht dabei helfen, deine Mission zu erfüllen.”
“Wegen Emily?”
“Ja.”
Angie konnte Reed verstehen. Es wäre ihr anders zwar lieber gewesen, aber daran ließ sich nun einmal nichts ändern. “Hast du vor, sie zu heiraten, wenn du sie findest?”
“Wenn sie mein Kind hat, ja.”
“Hat Emily da nicht auch ein Wörtchen mitzureden?”, fragte Angie vorsichtig und spürte, wie Reeds Hand sich an ihrem Kopf zur Faust ballte.
“Die Ungewissheit, ob irgendwo da draußen mein Kind aufwächst, zerreißt mich. Es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht vorstelle, wie es aussieht, wie es spricht und was es tut. Ich mache mir Sorgen um seine Gesundheit und darüber, dass es sich womöglich einsam fühlt oder Probleme hat. Und wenn ich daran denke, dass dieses Kind aufwächst, ohne seinen Vater jemals kennengelernt zu haben …” Reed verstummte und musste mehrmals vergeblich schlucken, bevor er seine Fassung wiedererlangte. “Ist das dem Himmel denn nicht gut genug? Könnte ich die Erfüllung nicht mithilfe meines Kindes finden? Ist es denn so wichtig, ob ich seine Mutter liebe oder nicht?”
Damit hatte Reed von allein angesprochen, was Angie niemals zu fragen gewagt hätte. “Heißt das, du liebst Emily gar nicht?”
“Ich habe sie einmal geliebt. Zumindest habe ich das gedacht.” Traurig ließ Reed den Blick übers Wasser schweifen. “Vielleicht kann ich es wieder.”
“Aber du würdest sie trotzdem heiraten?”
Als Reed Angie diese Frage bejahte, legte sich ein harter Zug um seinen Mund.
“Darf ich dir dazu etwas sagen, Reed, was mir mein Onkel immer erzählt hat. Vielleicht hilft es dir weiter.” Als Angie Reeds Gesichtsausdruck sah, ergänzte sie vorwurfsvoll: “Es war nicht so ein Onkel, wie du denkst, sondern der Bruder meiner Mutter. Er starb, als ich noch sehr jung war. Aber ich kann mich noch daran erinnern, was er immer zu mir gesagt hat, wenn ich ein Problem hatte.”
“Und was war das?”
“Er gab mir einen Rat in Bezug darauf, was den richtigen Lebensweg angeht. Er sagte, wenn man für sich den richtigen Weg gefunden hat, verwandeln sich Berge in Maulwurfshügel und sind leicht zu überwinden. Aber wenn man den falschen Pfad einschlägt, werden Maulwurfshügel zu Bergen und können unmöglich erklommen werden.”
“Denkst du, Emily stellt für mich so einen Berg dar?”
“Du hast mehr als zwei Jahre erfolglos nach ihr gesucht. Vielleicht solltest du sie nicht finden. Vielleicht ist es nun an der Zeit, dich anderen Möglichkeiten zu öffnen.”
“Wie etwa der Liebe?” Reed klang dabei so spöttisch, dass es Angie richtig wehtat.
“Du kannst mir nichts vormachen, Reed. Ich weiß, was für ein Mensch du bist. Ich habe gesehen, wie viel Zuneigung du Joel und deiner Mutter entgegenbringst …”
“Natürlich habe ich die beiden lieb. Sie sind meine Familie.”
“Und ich?” Angie bewegte sich ein wenig in Reeds Armen und fuhr ihm zärtlich über die breite Brust, die ihr Schutz bot. “Warum hältst du mich mit so viel Wärme und Anteilnahme?”
“Du kennst die Antwort.”
“Weil ich Angst vorm Wasser habe?”
“Ja.”
“Aber verstehst du denn nicht. Du bist ein so fürsorglicher Mensch, dass du mir unbedingt helfen willst. Du hast mich hierhergebracht, weil du gehofft hast, mir dadurch ein wenig die Angst zu nehmen. Stimmt’s?”
“Ich hab’s dir doch schon gesagt: Meiner Meinung nach sollten Engel keine Ängste haben. Nachdem du gestor…” Reed biss sich auf die Lippe, wobei sich auch in seinen Augen ganz deutlich abzeichnete, dass er eine innere Blockade verspürte, den Satz zu Ende zu führen.
Also tat Angie es für ihn. “Nachdem ich gestorben bin … und weiter?”
“Hätte der Himmel dir die Angst vorm Wasser nehmen sollen.” Reeds Stimme klang rau. “Und auch die Erinnerungen daran.”
“Und da der liebe Gott das nicht getan hat, willst du es tun?” Angie sah zu Reed hoch und streichelte zärtlich seine Wange. “Ob du es nun zugibst oder nicht, du hast ein enormes Liebespotenzial. Und doch zwingst du dich, es zu
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