Engel aus Eis
die Kellertür öffnete und die kleine Versammlung davor erblickte.
»Hallo?«
Elsy warf den anderen einen Blick zu, bevor sie das Wort ergriff. Im Augenwinkel sah sie, dass auch Frans mit ruhigerem Gesichtsausdruck und den Händen lässig in den Hosentaschen angeschlendert kam.
»Wir wollten fragen, ob wir reinkommen dürfen, weil wir dir gerne ein paar Fragen stellen würden.«
»Klar.« Der Norweger machte einen Schritt zur Seite. Britta zwinkerte ihm kokett zu, als sie an ihm vorüberging, die Jungs gaben ihm die Hand. Es gab nicht viele Möbel in dem kleinen Raum. Britta und Elsy setzten sich auf die einzigen Stühle, Hans ließ sich auf dem ordentlich gemachten Bett nieder, und Frans und Erik hockten sich einfach auf den Fußboden.
»Es geht um meinen Bruder.« Erik sah ihn verstohlen an. In seinen Augen schimmerte Hoffnung, nicht viel zwar, aber immerhin.
»Mein Bruder hat deine Leute während des gesamten Krieges unterstützt. Er ist mit dem Schiff von Elsys Vater mitgefahren, mit dem du auch gekommen bist, und hat Sachen hin und her transportiert. Vor einem Jahr wurde er jedoch von den Deutschen im Hafen von Kristiansand verhaftet und …«, seine Lider zuckten, »seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.«
»Elsys Vater hat mich schon nach ihm gefragt.« Hans sah Erik in die Augen. »Aber den Namen kenne ich leider nicht. Ich kann mich auch nicht entsinnen, von einem Schweden gehört zu haben, der in Kristiansand verhaftet wurde. Aber wir sind viele, und es gibt übrigens auch nicht wenige Schweden, die uns helfen.«
»Vielleicht hast du seinen Namen noch nicht gehört, würdest ihn aber wiedererkennen.« Erik verschränkte aufgeregt die Finger ineinander.
»Die Chance ist nicht groß, aber du kannst es ja versuchen. Beschreib ihn mir.«
Erik tat sein Bestes und hatte nicht viel Mühe, denn obwohl der Bruder schon seit einem Jahr fort war, sah er ihn noch immer klar und deutlich vor sich. Allerdings gab es viele, die Axel ähnlich sahen, und er wies nicht viele besondere Merkmale auf, die ihn von anderen Schweden in seinem Alter unterschieden.
Hans hörte aufmerksam zu, doch dann schüttelte er den Kopf. »Es tut mir wirklich leid, er kommt mir überhaupt nicht bekannt vor.«
Erik sank enttäuscht in sich zusammen. Eine Weile saßen sie alle schweigend da.
Dann sagte Frans: »Erzähl du mal von den spannenden Abenteuern, die du im Krieg erlebt hast!« Seine Augen leuchteten.
»Das ist doch nicht der Rede wert«, antwortete Hans widerwillig, aber Britta protestierte. Sie konnte kaum die Augen von ihm abwenden und flehte ihn an, wenigstens irgendetwas von dem, was er miterlebt hatte, zu erzählen. Am Ende gab der Norweger nach und verriet, wie es in Norwegen gewesen war. Wie die Deutschen gewütet und die Norweger gelitten hatten. Er berichtete auch von den Aufträgen, die sie ausgeführt hatten, um sich gegen die Deutschen zu wehren. Die anderen vier Jugendlichen saßen mit geöffneten Mündern da. Das Ganze war so aufregend! Natürlich bemerkten sie auch die Traurigkeit in Hans’ Augen und begriffen, dass er viel Elend gesehen haben musste, aber trotzdem. Seine Erlebnisse hörten sich furchtbar spannend an.
»Ich finde das wahnsinnig mutig von dir.« Britta errötete. »Die meisten Jungs würden so etwas nie wagen, nur solche wie Axel und du haben den Mut, für das zu kämpfen, woran sie glauben.«
»Du meinst, wir würden uns nicht trauen«, fauchte Frans. Die bewundernden Blicke, die Britta heute nicht ihm, sondern dem Norweger zuwarf, heizten seinen Ärger zusätzlich an. »Erik und ich sind genauso mutig, und wenn wir erst so alt wie Axel sind … Wie alt bist du eigentlich?«
»Ich bin vor kurzem siebzehn geworden.« Hans schien das Interesse an seiner Person und seinen Taten unangenehm zu sein. Er suchte Elsys Blick. Sie hatte den anderen die ganze Zeit schweigend zugehört und ihn sofort verstanden.
»Ich glaube, wir sollten Hans nun in Ruhe lassen, er hat viel durchgemacht«, sagte sie mit sanfter Stimme und sah ihre Freunde durchdringend an. Widerwillig standen sie auf, bedankten sich und verließen den Raum. Elsy war die Letzte. Bevor sie die Tür schloss, drehte sie sich noch einmal um.
»Danke.« Hans lächelte sie müde an. »Ihr könnt mich gerne wieder besuchen, ich habe mich über ein bisschen Gesellschaft gefreut, aber im Moment bin ich etwas …«
Sie lächelte ihn an. »Ich weiß genau, was du meinst. Wir kommen ein andermal wieder, und wir werden dir auch das
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