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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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verstummt war, blickte er Martin an, und Martin lief, obwohl er nach dem strammen Spaziergang schwitzte, ein Schauer über den Rücken. Es war unendlich beängstigend, mit diesem Fanatismus konfrontiert zu sein. Ihm wurde eiskalt bei dem Gedanken, dass keine Logik der Welt Frans und seine Gleichgesinnten davon überzeugen konnte, dass sie die Welt durch eine schiefe Brille betrachteten. Man konnte sie nur in Schach halten. Martin hatte immer geglaubt, dass man allmählich zu einem veränderbaren Kern durchdringen konnte, wenn man nur die Gelegenheit hatte, mit einem Menschen zu diskutieren. In Frans’ Augen entdeckte er jedoch einen Kern, der von so dicken Mauern aus Zorn und Hass umgeben war, dass es unmöglich schien, ihn zu erreichen.

Fjällbacka 1944
    D as hat geschmeckt.« Vilgot nahm sich noch eine Portion von den gebratenen Makrelen. »Richtig gut, Bodil.«
    Sie antwortete nicht, sondern senkte nur erleichtert den Kopf. Sie hatte immer das Gefühl, einen kleinen Aufschub zu bekommen, wenn ihr Ehemann ausnahmsweise gute Laune hatte und zufrieden mit ihr war.
    »Denk daran, Junge, bevor du heiratest, musst du dich zuerst davon überzeugen, dass das Mädel in Küche und Bett etwas taugt!« Vilgot lachte hemmungslos mit vollem Mund und zeigte mit der Gabel auf Frans.
    »Vilgot!« Bodil sah ihn an, wagte aber nicht, mehr als einen lahmen Widerspruch in ihren Tonfall zu legen.
    »Der Junge muss das sowieso lernen.« Er schöpfte noch einen großen Schlag Kartoffelbrei auf seinen Teller. »Übrigens kannst du heute stolz auf deinen Vater sein. Ich habe soeben am Telefon erfahren, dass die Firma von diesem Juden Rosenberg Konkurs angemeldet hat, weil ich ihm so viele Geschäfte weggeschnappt habe. Na, ist das kein Grund zum Feiern? So wird man mit denen fertig. Man muss einen nach dem anderen in die Knie zwingen, ökonomisch und mit der Peitsche!« Er lachte aus vollem Halse. Fett lief ihm am Kinn hinunter.
    »In diesen Zeiten wird er es finanziell nicht leicht haben.« Bodil hatte sich nicht bremsen können, doch kaum, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, sah sie ihren Irrtum ein.
    »Was ist denn das für ein Gedanke?«, schmeichelte Vilgotund legte sein Besteck neben den Teller. »Wenn du mit so einem Mitgefühl hast, möchte ich, dass du mir das etwas näher erläuterst.«
    »Ach, nichts.« Sie senkte den Blick und hoffte, dass sie mit diesem Zeichen der Kapitulation durchkam. Doch der Funke in Vilgots Augen hatte bereits Feuer gefangen, und nun richtete er seine gesamte Aufmerksamkeit auf seine Ehefrau.
    »Was du zu sagen hast, interessiert mich außerordentlich. Sprich weiter.« Frans blickte zwischen seinen Eltern hin und her, während sich in seinem Magen ein immer dickerer Klumpen bildete. Er sah seine Mutter unter Vilgots Blick erbeben. Die Augen seines Vaters hingegen hatten zu glänzen begonnen, und diesen Glanz hatte Frans schon so oft gesehen. Er wollte fragen, ob er vom Tisch aufstehen dürfe, sah aber ein, dass es dafür zu spät war.
    Bodils Stimme überschlug sich vor Nervosität, und sie musste mehrmals schlucken, bevor sie herausbekam: »Ich habe nur an seine Familie gedacht. In diesen Zeiten könnte es schwer sein, ein anderes Einkommen zu finden.«
    »Wir reden über einen Juden, Bodil.« Sein Ton war streng, und er sprach langsam, wie mit einem Kind, doch genau diese Haltung schien etwas in seiner Ehefrau zum Leben zu erwecken.
    Sie hob den Kopf und sagte mit leichtem Trotz: »Juden sind doch auch Menschen. Sie müssen ihren Kindern etwas zu essen kaufen, genau wie wir.«
    Der Klumpen in Frans’ Bauch nahm gigantische Ausmaße an. Er wollte seine Mutter anschreien, sie solle den Mund halten und nicht so mit Vater reden. Das konnte einfach nicht gutgehen. Und einen Juden in Schutz nehmen? War es das wert? Bedachte sie den Preis, den sie dafür zahlen musste? Plötzlich verspürte er einen unversöhnlichen Hass auf seine Mutter. Wieso war sie so dumm? Wusste sie nicht, dass es sinnlos war, sich Vater zu widersetzen? Dass es vernünftiger war, zu Boden zu blicken, zu gehorchen und nicht zu widersprechen? Dann hatte man eine Weile seine Ruhe. Doch diese dumme, dumme Frau hatte sich soeben etwas erlaubt, was man vor Vilgot Ringholm nie tun durfte. Sie hatte ein Fünkchen Rebellion gezeigt. Hatte ihn ein klein wenigin Frage gestellt. Frans zitterte vor dem Pulverfass, das dieser Funke nun entzünden würde.
    Zuerst wurde es ganz still im Raum. Vilgot starrte sie an, ohne richtig begreifen zu

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