Engel aus Eis
deine Schwestern ein Halbgeschwister sein wird. Ich wünsche mir von Herzen, dass wir uns alle gut verstehen, aber ich kann nicht alleine dafür sorgen, sondern brauche eure Hilfe! Auf jeden Fall kommt, ob du mich nun akzeptierst oder nicht, im Frühling ein Baby, und so lange halte ich das hier nicht mehr aus!« Anna brach in Tränen aus. Die beiden anderen standen wie versteinert da. Dann gab Belinda ein Schluchzen von sich, starrte Dan und Anna an, rannte hinaus und ließ krachend die Haustür hinter sich ins Schloss fallen.
»Super. War das wirklich nötig?«, fragte Dan müde. Emma und Adrian waren ebenfalls auf den Tumult aufmerksam geworden und standen ratlos im Flur.
»Ach, lass mich doch in Ruhe.« Anna schnappte sich ihre Jacke, und die Tür wurde ein zweites Mal zugeknallt.
»Hallo, wo warst du?« Patrik ging Erica entgegen und küsste sie auf den Mund. Maja wollte auch ein Küsschen von Mama und kam mit ausgestreckten Armen leicht schwankend angerannt.
»Man könnte sagen, ich habe zwei interessante Gespräche geführt.« Erica hängte ihre Jacke auf und folgte Patrik ins Wohnzimmer.
»Aha, worüber denn?«, fragte Patrik neugierig. Er setzte sich auf den Fußboden und machte da weiter, wo Maja und er aufgehört hatten. Sie bauten gerade den höchsten Turm der Welt.
»Ist der Witz daran nicht eigentlich, dass Maja ihre Geschicklichkeit trainiert?«, lachte Erica und ließ sich neben den beiden nieder. Belustigt beobachtete sie, wie ihr Mann hochkonzentriert ein rotes Holzklötzchen auf einen Turm stellen wollte, der mittlerweile größer als Maja war.
»Pst …« Patrik schob die Zungenspitze in den Mundwinkel, als er ihn mit so ruhiger Hand wie möglich vorsichtig auf der inzwischen recht wackligen Konstruktion ausbalancierte.
»Gib Mama mal den gelben Bauklotz da, Maja«, flüsterte Erica theatralisch und zeigte auf den Sockel des Turms. Maja strahlte begeistert, weil sie ihrer Mutter einen Gefallen tun konnte, beugte sich hinunter und schnappte sich das Klötzchen, was Patriks sorgfältig errichtetes Gebäude zum Einsturz brachte.
Patrik hatte immer noch den roten Bauklotz in der ausgestreckten Hand. »Danke schön«, schnaufte er eingeschnappt und blickte Erica böse an. »Weißt du eigentlich, wie schwierig es ist, so einen hohen Turm zu bauen? Man muss millimetergenau arbeiten und braucht eine vollkommen ruhige Hand!«
»Begreift hier endlich jemand, was ich im ersten Jahr mit Unterstimulierung gemeint habe?«, lachte Erica und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
»Oh, langsam kapiere ich, was du meinst«, seufzte er und küsste intensiver zurück. Erica ließ sich nicht lange bitten, und aus dem zarten Küsschen wurde ernsthaftes Geknutsche, das erstaufhörte, als Maja ihrem Vater treffsicher einen Bauklotz an den Kopf warf.
»Aua!« Er hielt sich den Kopf und sah Maja mit erhobenem Zeigefinger an. »Was ist denn das für eine Art! Seinem eigenen Vater einen Holzklotz an den Schädel zu knallen, nur weil er ausnahmsweise mit Mama fummelt.«
»Patrik!« Erica versetzte ihm einen Hieb auf die Schulter. »Ist es unbedingt nötig, dass unsere Tochter schon mit einem Jahr dieses Wort lernt …«
»Wenn sie Geschwister haben möchte, wird sie den Anblick wohl ertragen müssen«, erwiderte er, und Erica sah, dass er dieses typische Blitzen in den Augen hatte.
Sie stand auf. »Mit den Geschwisterchen warten wir lieber noch ein Weilchen, aber wir könnten heute Abend schon mal üben …« Zwinkernd ging sie in die Küche. Endlich hatten sie diesen Teil ihres Zusammenlebens wieder aktiviert. Es war unglaublich, wie tödlich sich die Ankunft eines Babys auf die Sexualität auswirken konnte, doch nach einem recht mageren Jahr auf diesem Gebiet lief es allmählich wieder besser. Den Gedanken an Geschwister konnte sie jedoch überhaupt nicht ertragen, nachdem sie ein Jahr mit Maja zu Hause geblieben war. Sie hatte das Gefühl, erst wieder im Erwachsenenleben ankommen zu müssen, bevor sie wieder in die Säuglingswelt eintauchte.
»Was für interessante Gespräche hast du denn geführt?« Patrik folgte ihr in die Küche.
Erica erzählte von den beiden Ausflügen nach Uddevalla, die sie im Laufe des Tages unternommen hatte.
»Die Namen kommen dir also nicht bekannt vor?«, fragte Patrik mit gerunzelter Stirn, nachdem sie ihm erzählt hatte, was Herman gesagt hatte.
»Doch, das ist ja das Merkwürdige. Ich kann mich nicht erinnern, je von ihnen gehört zu haben, aber da ist trotzdem etwas …
Weitere Kostenlose Bücher