Engel aus Eis
einteilen kann. Die Süße und ich machen unseren Kram, und du kümmerst dich um deinen.« Er stand auf und küsste Erica im Vorbeigehen auf den Haaransatz.
»Nun werde ich ein neues Meisterwerk bauen. Ich dachte an eine maßstabsgetreue Kopie des Taj Mahal.«
Erica schüttelte lachend den Kopf. Manchmal fragte sie sich wirklich, ob der Mann, den sie geheiratet hatte, ganz richtig in der Birne war. Wahrscheinlich nicht.
Anna sah sie schon von weitem. Eine einzelne, kleine Gestalt weit draußen auf einem der schwimmenden Stege. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, nach ihr zu suchen, aber als sie den Galärbacken hinunterkam und Belinda dort entdeckte, wusste sie sofort, dass sie zu ihr gehen musste.
Belinda hörte sie nicht kommen. Sie saß da und rauchte, neben sich ein Päckchen Gula Blend und eine Streichholzschachtel.
»Hallo«, sagte Anna.
Belinda zuckte zusammen. Sie blickte auf die Zigarette in ihrer Hand und schien für einen Moment zu überlegen, ob sie sie verstecken sollte, doch dann setzte sie trotzig den Filter an die Lippen und nahm einen tiefen Lungenzug.
»Kann ich auch eine haben?« Anna setzte sich neben Belinda.
»Rauchst du?«, fragte Belinda verwundert und reichte ihr die Schachtel.
»Habe ich mal. Fünf Jahre lang. Aber mein … Exmann … mochte das nicht.« Das war leicht untertrieben. Ganz am Anfang hatte Lucas sie einmal erwischt, als sie heimlich eine Zigarette rauchte, und sie in ihrer Armbeuge ausgedrückt. Man sah immer noch eine blasse Narbe an dieser Stelle.
»Du sagst Papa doch nichts davon?«, ächzte Belinda trotzig, fügte dann jedoch kleinlaut hinzu: »Bitte!«
»Wenn du mich nicht verpetzt, verpetze ich dich auch nicht.« Mit geschlossenen Augen nahm Anna den ersten Zug.
»Ist das wirklich eine gute Idee? Wegen dem … Baby, meine ich?« Plötzlich hörte Belinda sich wie eine Sittenwächterin an.
Anna lachte. »Das hier ist die erste und letzte Zigarette in dieser Schwangerschaft, das verspreche ich dir!«
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und bliesen Rauchringe übers Wasser. Die sommerliche Wärme war einer rauen Septemberkälte gewichen, doch es war immerhin windstill, und das Meer lag spiegelblank vor ihnen. Der Hafen sah verlassen aus, und statt der doppelten und dreifachen Reihen im Sommer lagen jetzt nur vereinzelte Boote im Hafen.
»Es ist nicht leicht, oder?« Anna blickte zum Horizont.
»Was?«, fragte Belinda mürrisch, die immer noch unsicher war, wie sie sich nun verhalten sollte.
»Ein Kind zu sein. Obwohl man fast erwachsen ist.«
»Davon hast du doch keine Ahnung.« Belinda kickte ein Steinchen ins Wasser.
»Stimmt, ich bin ja in meinem jetzigen Alter auf die Welt gekommen«, lachte Anna und pikste Belinda in die Seite. Sie wurde mit einem winzigen Lächeln belohnt, das jedoch schnell wieder verschwand. Anna ließ sie in Frieden. Das Mädchen sollte das Tempo bestimmen. Ein paar Minuten blieben sie stumm. Dann bemerkte Anna im Augenwinkel, dass Belinda sie vorsichtig ansah.
»Ist dir sehr übel?«
Anna nickte. »Ich fühle mich wie ein seekranker Iltis.«
»Wieso sollte ein Iltis seekrank sein?«, schnaubte Belinda.
»Warum nicht? Kannst du beweisen, dass Iltisse nicht seekrank werden? Das würde ich gerne erleben. Ich fühle mich nämlich genau so. Wie ein seekranker Iltis.«
»Du erzählst doch nur Blödsinn.« Belinda musste trotzdem lachen.
»Scherz beiseite, es geht mir ziemlich beschissen.«
»Bei Lisen war Mama auch schlecht. Ich war schon so groß, dass ich mich daran erinnern kann. Sie war … entschuldige, vielleicht sollte ich nicht über Mama und Papa reden …« Sie verstummte verlegen, griff nach einer Zigarette und zündete sie hinter der gewölbten Hand an.
»Du kannst gerne über deine Mutter reden. So viel du willst. Ich habe kein Problem damit, dass Dan ein Leben vor mir hatte,schließlich hat er in diesem Leben euch drei bekommen. Mit eurer Mutter. Also glaub mir, du brauchst nicht das Gefühl zu haben, dass du Verrat an deinem Vater begehst, wenn du deine Mutter magst. Und ich verspreche dir, dass ich es dir nicht übelnehme, wenn du von Pernilla erzählst. Ganz und gar nicht.« Anna legte ihre Hand auf Belindas, mit der diese sich auf dem Steg abstützte. Im ersten Moment schien Belinda den Impuls zu verspüren, die Hand wegzuziehen, aber dann ließ sie sie dort. Nach ein paar Sekunden ließ Anna los und nahm sich auch noch eine Zigarette. Dann würde sie in dieser Schwangerschaft eben zwei von den
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