Engel aus Eis
Herz, Axel so positiv von ihm sprechen zu hören.
»Soweit ich weiß, saßen Sie im Gefängnis, als Hans Olavsen mit Großvaters Boot hierherkam. Er traf 1944 ein und blieb nach allem, was wir bislang herausgefunden haben, bis kurz nach Kriegsende.«
»Sie sagten wir«, fiel Axel ihr ins Wort. »Wer ist das Wir, das diese Dinge herausgefunden hat?« In seiner Stimme lag ein angespannter Unterton.
Erica zögerte. Dann sagte sie nur: »Damit meine ich nur, dass Christian aus der Bibliothek hier in Fjällbacka mir geholfen hat. Sonst nichts.« Sie wollte Kjell nicht erwähnen, und Axel schien ihre Erklärung zu akzeptieren.
»Ja, ich war damals inhaftiert.« Axels Körper versteifte sich wieder. All seine Muskeln schienen sich plötzlich an das zu erinnern, was sie durchgemacht hatten, und zogen sich zusammen.
»Sind Sie ihm nie begegnet?«
Axel schüttelte den Kopf. »Nein, bei meiner Rückkehr war er bereits abgereist.«
»Wann kamen Sie wieder nach Fjällbacka?«
»Im Juni 1945. Mit den weißen Bussen.«
»Weiße Busse?«, fragte Erica, konnte sich aber auf einmal entsinnen, dass sie im Geschichtsunterricht vorgekommen waren und irgendetwas mit Folke Bernadotte zu tun hatten.
»Es war eine Aktion unter der Regie von Folke Bernadotte«, bekräftigte Axel ihre vagen Erinnerungen. »Er organisierte die Rückführung von skandinavischen Häftlingen aus deutschen Konzentrationslagern. Die Busse waren weiß mit roten Kreuzen auf dem Dach und an den Seiten, damit sie nicht irrtümlich für militärische Ziele gehalten wurden.«
»Bestand denn die Gefahr, dass man sie für militärische Ziele hielt? Die Gefangenen wurden doch erst nach Kriegsende abgeholt«, fragte Erica verwirrt.
Axel lächelte milde über ihr Unwissen und begann wieder Däumchen zu drehen. »Die ersten Busse holten die Inhaftierten nach Verhandlungen mit den Deutschen bereits im März und April ab. Bei dieser ersten Runde brachte man fünfzehntausend Menschen nach Hause. Nach Ende des Krieges wurden im Mai und Juni dann noch einmal zehntausend Leute geholt. Ich kam mit der allerletzten Fuhre. Im Juni 1945.« Trocken ratterte er die Fakten herunter, aber Erica hörte aus dem distanzierten Ton das Echo des Grauens heraus, das er durchlebt hatte.
»Aber Hans Olavsen verschwand, wie gesagt, im Juni 1945 von hier. Er muss kurz vor Ihrer Rückkehr gegangen sein.«
»Es lagen wohl nur wenige Tage dazwischen«, nickte Axel. »Verzeihen Sie mir, wenn meine Erinnerung in diesem Punkt etwas trübe ist. Ich war äußerst … mitgenommen, als ich nach Hause kam.«
»Das kann ich verstehen.« Erica senkte den Blick. Es war ein seltsames Gefühl, mit einem Menschen zu sprechen, der die deutschen Konzentrationslager von innen gesehen hatte.
»Hat Ihr Bruder von ihm erzählt? Können Sie sich an irgendetwas erinnern? Ich kann es zwar eigentlich nicht belegen, aberich habe den Eindruck, dass Erik und seine Freunde in seinem Jahr in Fjällbacka viel Zeit mit Hans Olavsen verbracht haben.«
Axel starrte aus dem Fenster und schien in seinem Gedächtnis zu graben. Er legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.
»Bitte nehmen Sie mir nicht übel, dass ich das sage, aber ich meine, da war etwas zwischen dem Norweger und Ihrer Mutter.«
»Keine Sorge«, winkte Erica ab. »Erstens ist es eine Ewigkeit her, und zweitens habe ich schon davon gehört.«
»Sieh an, dann ist mein Gedächtnis doch nicht so miserabel, wie ich manchmal befürchte.« Er lächelte milde und sah sie an. »Ich bin ziemlich sicher, dass Erik mir von einer Romanze zwischen Elsy und Hans berichtet hat.«
»Wie hat sie reagiert, als er fortging? Wissen Sie noch, wie sie damals war?«
»Leider nicht mehr so genau. Natürlich war sie nach dem, was Ihrem Großvater zugestoßen war, nicht mehr ganz sie selbst. Außerdem zog sie kurz darauf weg, um die … Hauswirtschaftsschule zu besuchen, glaube ich, wenn ich mich recht entsinne. Dann haben wir uns irgendwie aus den Augen verloren. Als sie einige Jahre später nach Fjällbacka zurückkehrte, arbeitete ich bereits im Ausland und war nicht mehr oft zu Hause. Mit Erik hatte sie, soweit ich mich erinnern kann, auch keinen Kontakt mehr. Das ist ja nichts Ungewöhnliches. In der Kindheit und Jugend ist man gut befreundet, aber wenn man erwachsen wird und der Ernst des Lebens beginnt, entfernt man sich voneinander.« Wieder blickte er aus dem Fenster.
»Ich weiß, was Sie meinen«, erwiderte Erica enttäuscht. Auch Axel schien nichts über Hans zu
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