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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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diesem Mann zu tun haben. Er stand für alles Schlechte im Menschen, und Hans schämte sich, weil er in einer gewissen Lebensphase nicht die Kraft gehabt hatte, sich ihm zu widersetzen. Bilder kamen in ihm hoch. Grausam und unerbittlich zeigten sie eine Person und ihre Handlungen, mit der er nichts mehr gemein hatte. Es war eine schwache Person, die sich dem väterlichen Willen beugte, am Ende aber den Mut fand, sich zu befreien. Er umklammerte den Orden so fest, dass er ihm in die Hand schnitt. Er würde nicht zurückkehren, um seinen Vater zu treffen. Vermutlich hatte sein Schicksal ihn ohnehin eingeholt und ihm dieStrafe auferlegt, die er verdiente. Aber er musste seine Mutter sehen. Die Sorge, die sie seinetwegen haben musste, hatte sie nicht verdient. Sie wusste nicht einmal, ob er tot war oder lebte. Er musste mit ihr sprechen, ihr zeigen, dass es ihm gutging, und ihr von Elsy und dem Kind erzählen. Irgendwann könnte er sie vielleicht sogar überreden, nach Schweden zu kommen und mit ihm und Elsy zusammenzuleben. Er glaubte nicht, dass Elsy etwas dagegen haben würde. Ihr gutes Herz gehörte zu dem, was er am meisten an ihr liebte. Sie und seine Mutter würden sich bestimmt verstehen.
    Hans stand auf und legte den Orden nach kurzem Zögern wieder in die Schublade. Er konnte dort liegenbleiben, bis er zurückkam. Als Erinnerung an das, was er nie wieder sein wollte. Ein feiger, schwacher Junge. Für Elsy und das Kind musste er jetzt ein Mann sein.
    Er machte die Tasche zu und sah sich in dem Zimmer um, in dem er im vergangenen Jahr so viel Schönes erlebt hatte. Sein Zug ging in ein paar Stunden. Vor der Abfahrt musste er nur noch eine Sache erledigen. Er musste mit einer ganz bestimmten Person reden. Er ging hinaus. Als die Tür ins Schloss fiel, überkam ihn plötzlich eine schicksalsschwere Ahnung. Als ob irgendetwas schiefgehen würde. Dann schüttelte er das Gefühl ab und ging. In einer Woche würde er ja wieder hier sein.
    O bwohl Patrik ihr anbot, sie zu begleiten, bestand Erica darauf, ohne ihn nach Göteborg zu fahren. Diese Sache musste sie allein angehen.
    Sie blieb eine Weile vor der Tür stehen, bevor sie sich überwinden konnte, den Finger zu heben und auf die Klingel zu drücken, doch schließlich konnte sie es nicht länger hinauszögern.
    Märta warf ihr einen erstaunten Blick zu, dann trat sie zur Seite und ließ sie herein.
    »Entschuldigen Sie die Störung.« Erica hatte plötzlich einen trockenen Hals. »Ich hätte vorher anrufen sollen, aber …«
    »Keine Sorge.« Märta lächelte sie freundlich an. »In meinem Alter ist man so dankbar für Gesellschaft, dass man sich immer freut. Kommen Sie herein.«
    Erica folgte ihr durch den Flur, und sie setzten sich ins Wohnzimmer. Sie überlegte fieberhaft, wie sie beginnen sollte, doch Märta kam ihr zuvor.
    »Sind Sie mit diesen Mordfällen weitergekommen?«, fragte sie. »Es tut mir leid, dass wir Ihnen neulich nicht helfen konnten, aber wie gesagt, in unsere finanziellen Angelegenheiten hatte ich keinen Einblick.«
    »Ich weiß, wofür das Geld war. Oder besser gesagt, für wen«, sagte Erica. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
    Märta sah sie verwundert an, schien aber nicht zu begreifen, was sie meinte.
    Erica sah der alten Dame in die Augen und sagte langsam undsanft: »Im November 1945 hat meine Mutter Ihren Sohn zur Welt gebracht und sofort zur Adoption freigegeben. Er wurde in Borlänge, im Haus der Schwester meiner Großmutter geboren. Ich glaube, dass der Mann, der ermordet wurde, Erik Frankel, Ihrem Mann das Geld für das Kind überwiesen hat.«
    Es war totenstill im Wohnzimmer. Dann senkte Märta den Blick. Erica sah, dass ihre Hände zitterten.
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, aber Wilhelm hat mir nie etwas davon erzählt und … vielleicht wollte ich es auch gar nicht wissen. Er war irgendwie immer unser Junge, und auch wenn es furchtbar kaltherzig klingt, habe ich mir kaum Gedanken darüber gemacht, dass er von einer anderen geboren wurde. Er gehörte doch uns. Mir und Wilhelm. Mehr hätte ich ihn auch nicht lieben können, wenn ich ihn selbst zur Welt gebracht hätte. Wir haben uns so nach einem Kind gesehnt, haben es so lange versucht und … ja, Göran war ein Geschenk des Himmels.«
    »Weiß er, dass …«
    »Er adoptiert ist? Das haben wir ihm nie verheimlicht. Aber wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich nicht, dass er sich deswegen viele Gedanken gemacht hat. Wir waren doch seine Eltern und seine Familie. Wilhelm

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