Engel der Finsternis (German Edition)
Heidrun rieben sich zufrieden die Hände, als sie sahen, wie Franzi mit Tränen in den Augen der Gräfin hinterher blickte.
2. Kapitel
Franzi hatte zwar damit gerechnet, dass es an diesem Tag für sie ganz besonders schlimm werden würde, aber auf so eine Begrüßung in der Burg war sie nicht gefasst gewesen. Wenigstens hatte ihre Schwester nun endlich erreicht, was sie sich sehnlichst gewünscht hatte. Walburga strahlte über das ganze Gesicht. Seit Katharina ihr gesagt hatte, sie solle sich im Wehrturm zur Arbeit melden, war sie bester Laune. Heidrun freute sich mit ihr.
„Siehst du, mein Schatz“, richtete sie sich an Walburga und zupfte neckisch an einem ihrer Zöpfe. „Ich habe dir doch immer gesagt, dass du dich auf mich verlassen kannst. Wie habe ich das gemacht?“ Der Stolz war Heidrun deutlich anzusehen.
Walburga fiel ihrer Mutter um den Hals. „Ich danke dir, Mutter!“
„Ich freue mich so für dich“, sagte Franzi und lächelte unsicher. Wie von ihr befürchtet, warf Walburga ihrer Stiefschwester nur einen geringschätzigen Blick zu und verzog das Gesicht, als hätte sie etwas schlecht Schmeckendes im Mund. „Dir habe ich das garantiert nicht zu verdanken.“ Seite an Seite ging sie mit Heidrun durch das Tor der Palisade, die den Wehrturm umgab.
Sie erklommen die Stufen bis hinauf in den vierten Stock des Turmes, in dem sich die Gemächer des Grafenpaares befanden. Dort trafen sie die zweite Kammerfrau der Gräfin und erklärten ihr, warum sie gekommen waren. Die alte, beinahe zahnlose Frau war alles andere als begeistert, als sie hörte, dass nun auch noch die Verwandten von Franzi im Turm arbeiten würden. Aber sie akzeptierte den Befehl ihrer Herrin. Sie gab Heidrun und Walburga Arbeit und schnauzte Franzi an, die noch immer dastand und nicht wusste, was sie tun sollte. „Hast du nichts zu tun? Der Graf wünscht ein Bad zu nehmen. Bereite den Zuber vor! Die Knechte mit dem heißen Wasser werden gleich hier sein.“
Franzi starrte die Frau aus weit aufgerissenen Augen an. Sie traute ihren Ohren nicht. Sie sollte die Bademagd des Grafen sein! Jede Frau wusste, dass der Graf sich nur aus einem einzigen Grund von einer Magd baden ließ.
„Der Herr hat ausdrücklich nach dir verlangt. Soll ich ihm sagen, dass du dich seinem Wunsch widersetzen willst?“ Die Alte geriet in Rage, weil Franzi nicht sofort reagierte. „Soll ich dir vielleicht Beine machen?“
Franzi wusste, dass sie es nicht wagen würde, sie zu schlagen, aber sie war einfach sprachlos. Es war wie verhext, alles schien schief zu gehen an diesem Morgen. So war es immer an ihrem Geburtstag – dem schlimmsten Tag des Jahres. Schlimmer noch als ihr Namenstag oder der Heilige Abend. Aber die Nachricht, dass sie dem Grafen Gesellschaft leisten sollte, während er badete, machte sie einfach fassungslos.
So weit war er bisher noch nie gegangen. Er hatte sie schon einige Male bedrängt, dann aber immer von ihr abgelassen, wenn sie mit Tränen in den Augen und zitternd vor Angst vor ihm stand und seine Berührungen schluchzend über sich ergehen ließ. Aber nun schien er nicht länger warten zu wollen.
Sie tat, wie die Alte ihr befohlen hatte und ging in das Gemach des Grafen, wo neben dem großen Himmelbett des Grafenpaares der Badezuber stand. Auf dem Bett lagen die weißen Laken bereit. Neben dem Schemel auf dem Zuber lagen die Kräuter, die sie ins Wasser legen sollte. Das Feuer im Kamin verbreitete eine angenehme Wärme im Raum. Obwohl die Nacht vorüber war, lag der Raum im Halbdunkel. Die Läden vor den kunstvoll verzierten Glasfenstern waren wegen der Kälte noch immer geschlossen. Im flackernden Feuerschein tanzten unheimliche Schattengestalten über die Wände und erweckten die Fabelwesen und Heiligen auf den Tapisserien zum Leben.
Franzi wagte kaum, den Blick auf die Figuren des heiligen Georg und des heiligen Michael zu richten, welche die Fenster schmückten. Normalerweise war der Anblick dieser Schutzheiligen ihr immer ein Trost, doch in dieser Situation und bei diesem Licht, flößten sie ihr eher Furcht ein. Alles im Raum wirkte mit einem Mal irgendwie bedrohlich und fremd. Franzi sah sich um. Sie glaubte, etwas gespürt zu haben. Doch da war niemand. Es hatte sich angefühlt wie eine Berührung. Franzi schauderte. Sie dachte an das, was der Graf von ihr verlangen würde.
Vor dem Bett ließ sie sich auf die Knie nieder und faltete die Hände. Sie schloss die Augen und begann zu beten. „Heiliger Schutzengel
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