Engel der Finsternis (German Edition)
Augen.
„Was siehst du mich an? Willst du mir etwa unterstellen, ich …?“
Der Kaplan hob beschwichtigend die Hände. „Natürlich nicht! Aber womöglich war Franzi jemandem im Weg. Jemandem, der hoch hinaus wollte und bereit war, alles zu tun, um sein Ziel zu erreichen.“
Konrad verstand, worauf der Kaplan hinauswollte. „Bringt die Schwester von Franziska zu mir. Sofort!“
Walburga war vollkommen verwirrt und sprachlos, als sie von einem Soldaten am Arm gepackt und die Wendeltreppe hinauf in den Saal gezerrt wurde. Gerade eben hatte sie noch siegessicher und hochmütig die fragenden Blicke der anderen Mägde in der Küche erwidert und nun stand sie wie eine Angeklagte vor dem Grafen.
„Was hast du mit deiner Schwester gemacht?“, wollte Konrad von ihr wissen und erhob sich aus seinem Sessel. Er gab dem Soldaten ein Zeichen und Walburga wurde vor dem Grafen zu Boden gestoßen. Reglos verharrte Walburga auf dem Bauch und wagte es nicht einmal, den Kopf zu heben. Konrad schritt langsam im Kreis um sie herum und blickte voller Verachtung auf sie hinab. Niemand sagte ein Wort. Alle Blicke waren auf den Grafen gerichtet.
„Ich habe dich etwas gefragt.“
Walburga richtete sich vorsichtig auf. „Ich verstehe nicht, Herr!“ Sie lag auf den Knien, die Fäuste unter dem Kinn und schaute sich hilfesuchend im Raum nach jemandem um, der sie verteidigen könnte. Doch weder ihre Mutter noch Balam oder eines der Weiber des Wilden Heeres war zur Stelle. Sie war völlig auf sich allein gestellt.
„Ich habe gefragt, was du mit deiner Schwester gemacht hast?“
„Antworte dem Grafen gefälligst!“, bellte der Burgkommandant ungeduldig und schlug sich mit der Faust auf den Schenkel. „Soll ich sie zum Reden bringen?“
„Das wird nicht nötig sein“, mischte sich der Kaplan ein. „Walburga, wir wissen, du hast deine Schwester gehasst. Leugne es nicht! Weißt du, was mit ihr geschehen ist?“
„Nein!“ Walburga schüttelte unablässig den Kopf. Erst jetzt begriff sie, in welcher Gefahr sie schwebte. Die Männer waren ihr irgendwie auf die Schliche gekommen und hatten vor, sie anzuklagen. Sie kannte die Strafe für das, was sie getan hatte. Man würde sie foltern und anschließend ersäufen, vielleicht sogar bei lebendigem Leibe verbrennen. „Nein! Ich habe nichts getan!“
„Ich habe gehört, wie ihr gestritten habt - du und Franziska - unten im Vorratsraum.“ Der Graf duldete keinen Widerspruch. „Du hast zu ihr gesagt, die Weiber würden dir nichts tun. Du sagtest, sie seien nur wegen Franziska hier. Geh in den Wald zu den Weibern, dann müssen sie nicht mehr kommen , hast du ihr ins Gesicht gespien. Ich erinnere mich genau.“
Walburga wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Fieberhaft dachte sie an das, was Balam ihr eingebläut hatte. Doch alles, woran sie sich erinnerte, war sein Versprechen, dass Franziska nie wieder zurückkehren würde.
„Woher weißt du so genau, die Weiber werden ausgerechnet dir nichts tun? Wieso bist du dir so sicher, dass sie nur wegen Franzi hier sind?“
„Aber das glauben doch alle!“, schrie sie verzweifelt. „Franziska selbst hat es geglaubt. Ja, sie selbst hat es unten im Vorratsraum erzählt. Ihr müsst es doch gehört haben, Ihr wart dort, Herr!“ Es war ihre einzige Chance. Sie musste herausfinden, wie viel der Graf von dem Gespräch mitbekommen hatte. Aber Konrad schwieg. „Ich war wütend, weil wir alle wegen ihr in großer Gefahr sind. Sie wusste es. Da habe ich gesagt, sie solle gehen, damit die Weiber wieder verschwinden.“ Walburga wandte sich an den Kaplan. „Die Weiber kommen doch nicht ohne Grund. Franziska muss eine schwere Sünde begangen haben.“
„Welche?“, fragte der Kaplan.
Walburga überlegte einen Moment. „Ich weiß es nicht!“, gestand sie schließlich. „Aber sie muss doch etwas getan haben, sonst würden die Weiber sie nicht verfolgen!“
„Du hast von mir gesprochen. Was meintest du damit? Was willst du von mir?“, wollte der Graf wissen.
Walburga stotterte unzusammenhängend vor sich hin und schnaufte. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und ihre Lippen zitterten. Sie rieb die Hände aneinander, strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht und suchte nach einem Ausweg.
„Also?“
„Ich wollte euch warnen!“
„Mich warnen?“
„Ja, ich wollte euch berichten, was Franziska mir gesagt hatte. Ich dachte, Ihr müsst das wissen.“
„So, dachtest du?“
„Weißt du, was ich denke?“
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