Engel der Finsternis (German Edition)
Hieronymus verlor allmählich die Geduld mit Walburga. „Du hast die Weiber gerufen“, sagte er mit einem drohenden Unterton in der Stimme. „Du weißt ganz genau, was das für eine Kreatur war, die Franzi mit sich genommen hat. Du …“
„Nein! Bitte, glaubt mir! Ich habe nichts mit den Weibern zu tun. Ich fürchte mich vor ihnen wie alle anderen auch. Ich habe schlimme Dinge zu Franziska gesagt, das ist wahr, aber ich habe sie nicht an das Wilde Heer verraten. Das würde ich nie tun!“
„Und wie kommt es dann, dass ihr die einzigen im Dorf seid, die von den Weibern verschont werden?“, mischte sich nun auch der Gutsverwalter Wolfram von Segelbach in das Verhör ein. „Ich habe mit dem Dorfvorsteher und dem Pfarrer gesprochen. Das Wilde Heer hat schlimm gewütet. Alle Familien im Dorf hatten zu leiden, nur Grimbert, Heidrun und Walburga nicht. Ihr Haus hat keinen Schaden genommen, nicht ein Stück Vieh ist verreckt, kein einziger Krug wurde zerbrochen. Keiner von euch hat auch nur den kleinsten Kratzer abbekommen.“
Starr vor Schreck blickte Walburga den Gutsverwalter stumm an. Sie glaubte einfach nicht, was sie gerade gehört hatte. Walburga hatte nie daran gedacht, dass es so kommen könnte. Balam hätte es wissen müssen. Er war ein Engel. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Engel irrten sich nicht, sie machten keine Fehler. Aber er hatte ihr auch gesagt, es wäre nicht richtig, in welcher Weise er ihr half. War sein Betrug an Gott entdeckt worden? War das die Strafe für seine Verfehlung gegen Ihn? Musste sie nun büßen für den Frevel, den ein Engel begangen hatte? Walburga war zu keinem Wort mehr fähig. Sie wimmerte nur noch leise und stammelte wirres Zeug. „Ich habe nichts getan. Und ich weiß auch nicht, wo meine Schwester ist. Ich bin unschuldig!“
Konrad setzte sich auf seinen Sessel. Auch Hieronymus und die anderen hohen Herren entspannten sich wieder.
„Bringt sie weg!“, befahl der Graf. „In den Kerker mit ihr! Wir werden bei Tagesanbruch ins Dorf reiten und uns das Haus von Grimbert ansehen und mit dem Dorfvorsteher und den anderen reden. Dann werden wir entscheiden, was mit ihr geschieht.“
„Wozu warten?“, rief der Burgkommandant erregt. „Überlasst sie mir!“
„Nein!“, widersprach Hieronymus. „Erst müssen wir sicher sein. Wenn sich der Verdacht gegen sie bestätigen sollte, muss sie nach Recht und Gesetz verhört und verurteilt werden. Schafft sie weg und ruft den Henker!“
18. Kapitel
„Er soll zu mir kommen!“, befahl Agreas. Unsichtbar bewegte er sich zwischen den Männern und Frauen hindurch, die noch immer vor den Überresten Balams standen und erregt miteinander tuschelten. Turel, ein anderer junger Dämon, stand neben dem Fenster, durch das Meresin geflohen war, und sah hinaus in die Nacht.
„Wo könnte er sein?“, fragte er Agreas. „Er kennt sich hier aus.“
„Das tue ich auch!“, knurrte Agreas wütend. „Geh und bring Harut zu mir. Und richte allen aus, sie sollen mit niemandem über Meresins Verrat reden. Ich will nicht, dass Luzifer davon erfährt - noch nicht! Meresin gehört mir! Ich werde ihm die Haut abziehen, ehe ich ihn vernichte.“
Turel nickte. „Was ist mit den Weibern?“
„Sie sollen warten. Wenn ich entschieden habe, was geschehen soll, werde ich es sie wissen lassen.“
„Und die Frau?“
„Um die kümmere ich mich. Sag allen, dass sie ab sofort unter meinem persönlichen Schutz steht. Niemand rührt sie an. Sie ist wichtiger als je zuvor.“
„Willst du sie befreien?“
Agreas schüttelte den Kopf. „Gefangen nützt sie mir mehr.“
„Sie wird reden unter der Folter.“
„Man wird sie nicht foltern. Geh jetzt und gib Harut Bescheid!“
Agreas knirschte mit den Zähnen, als er daran dachte, was geschehen war. Am liebsten hätte er auf der Stelle jemanden getötet. Doch er wusste, er durfte das nicht tun. Nicht in diesem Moment und nicht an diesem Ort. Er durfte Luzifer nicht verärgern und erst recht nicht die Aufmerksamkeit der Erzengel erregen. Also schluckte er seinen Zorn hinunter und brannte innerlich vor Hass auf Meresin.
Agreas hatte ihn unterschätzt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Meresin nach Waldenfels zurückkehren würde - zumindest nicht so bald. Was hatte er gewollt? Was führte er im Schilde? Meresin war nicht ohne einen Plan zurückgekehrt. Der Tod Balams war sicher nicht beabsichtigt gewesen. Er war Meresin im Weg gewesen. Also hatte er Franzi holen und fortschaffen
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