Engel der Finsternis (German Edition)
selbst wenn du es schaffen solltest, kann sie nie wieder zu ihrer Familie zurückkehren. Und du weißt selbst, wie sehr sie an ihrem Vater und den anderen hängt.“
„Sie ist mit diesem Land verbunden, wie ihr es seid.“
„Aber sie ist keine von uns. Sie ist nicht wie wir. Sie kann nicht bei uns leben.“
„Das soll sie auch nicht. Ich bitte euch nur, sie lediglich für kurze Zeit zu verstecken. Nur bis ich zurück bin.“
„Was hast du vor?“
„Sollte ich sie befreien können, werde ich sie zu euch bringen und dann Agreas von hier weglocken. Ich muss es tun, weil er sonst sofort über euch herfallen wird. Und solange ich sie in die Irre führe, braucht Franzi ein sicheres Versteck. Sie kann unmöglich bei mir bleiben, wenn ich gejagt werde. Alleine habe ich vielleicht eine Chance. Wenn sie bei mir ist, sind wir verloren.“
Sie alle wussten, dass dies der Wahrheit entsprach.
„Was ist eigentlich passiert?“, wollte eine der Frauen wissen. Ihr sanfter Blick lag forschend auf Meresins Gesicht und suchte nach einer Gefühlsregung.
„Ich habe mich geweigert, Franzi zu verführen.“
„Weil du sie liebst?“ Ihre Frage klang wie eine Feststellung.
„Ja!“
„Denkst du noch an Hulda?“ Die Frage kam zwar überraschend, aber Meresin ließ sich nichts anmerken. Die Frau, die die Frage gestellt hatte, bekam von ihrer Begleiterin einen Tritt gegen das Bein. Meresin kannte beide nicht. Also musste Berchta ihnen von Meresins Vergangenheit erzählt haben.
„Jeden Tag.“
„Und euer Sohn?“, bohrte sie weiter nach.
„Lass ihn!“, wies die andere sie zurecht.
„Warum? Ich frage ja nur.“
„Ich weiß nicht, was mit ihm geschehen ist. Wie ihr zweifellos wisst, war ich sehr lange … fort. Und seit meiner Rückkehr war es mir untersagt, euch aufzusuchen.“
„Trotzdem warst du ständig im alten Odinshain.“
Meresin erwiderte nichts darauf. Die Geräusche des winterlichen Waldes erfüllten die Luft, während sie für einen Moment in Schweigen verfielen und ihren Gedanken nachhingen.
„Du hast dich nie an der Jagd auf uns beteiligt. Warum?“
„Das Töten bereitet mir keine Freude.“
„Anderen schon! Agreas und Harut zum Beispiel. Auch Balam hatte sein Vergnügen daran.“
„Balam ist tot.“
„Das haben wir gehört. Du hast ihn getötet, als du Franzi aus Waldenfels weggebracht hast. Wieso stellst du dich gegen deinen Gott? Du weißt doch, wie rachsüchtig und gnadenlos er sein kann. Wenn dich die Erzengel finden, wirst du bis in alle Ewigkeit leiden müssen.“
„Dieser Auftrag ist falsch. Es mag von ihm gerechtfertigt sein, die Menschen zu prüfen. Aber ich werde niemanden wissentlich ins Unglück stürzen.“
„Liebst du Franzi so sehr?“
„Ich musste eine Entscheidung treffen. Und die Wahl ist mir nicht schwer gefallen. Ich kenne den Auftrag Gottes und die Folgen, die sich daraus für die Menschen ergeben. Dieser Auftrag hat mit allem anderen nur nicht mit Liebe und Barmherzigkeit zu tun. Jemanden wie Agreas oder Harut auf die Erde zurückzuschicken, die die Menschen ins Verderben stoßen … nein, das kann ich nicht gutheißen. So etwas kann nur jemandem einfallen, der Freude daran hat, andere leiden zu lassen.“
„So wie er dich hat leiden lassen, als er dir Hulda genommen hat.“
„Ich habe mich Seinem Willen gebeugt und bin mit den Erzengeln gegangen, als sie kamen, um mich zu holen. Ich habe Hulda verlassen im festen Glauben an Seine Gerechtigkeit. Diesen Fehler werde ich kein zweites Mal machen. Franzi hat nichts von Ihm zu erwarten. Ihr ganzes Leben hat sie zu Ihm gebetet und Ihn verehrt. Und jetzt überlässt er sie Harut und Agreas.“ Meresin geriet immer mehr in Wut, je länger er sprach.
„Ich sehe schon, dich hält nichts mehr im Heer der Engel und Dämonen“, erwiderte die Frau, die ihrer Freundin einen Tritt versetzt hatte. „Ich werde Berchta berichten, was du gesagt hast. Und ich bin mir sicher, sie wird Franziska bei sich aufnehmen, bis du zurückkehrst.“
„Ich danke euch.“ Meresin verbeugte sich und zog sich in den Wald zurück. Aber eine der Frauen folgte ihm.
„Meresin, auf ein Wort!“
„Sprich!“
„Hüte dich vor Agreas. Wenn ihr euch gegenübertretet, dann sei auf alles vorbereitet.“
„Was meinst du damit?“
„Gebe die Göttin, dass du es nie erfahren wirst.“
Meresin verstand. Die Frau musste einen Schwur geleistet haben, der ihr verbot, seine Frage zu beantworten. Also drang er nicht weiter in sie. „Ich danke dir
Weitere Kostenlose Bücher